Montag, 30. Januar 2012

1980 - XXI

König des Schmerzes

Im strömenden Regen
waten durch den Sumpf
unserer Beziehung
und doch mit Erleichterung
feststellen,
es ist niemand da.
Und wenn die Nässe
den Anorak durchdringt,
spüre die Seele,
die sich wärmt über
dem alten Zeitungspapierfetzen,
zertretenen Kaugummis
und den leeren Konservendosen,
die hohl glotzen wie Fischaugen,
König des Schmerzes.

Sonntag, 29. Januar 2012

1980 - XX

Heißer Stein

Der Krug geht zu Bruch, bis er am Wasser liegt.
Dort angekommen, füllt er sich bis zum Rand,
doch schon bald treten aus unsichtbaren Ritzen einzelne Tropfen aus,
die langsam, der Wölbung des Gefäßes folgend,
zu Boden perlen.
Einige verdunsten in der Sonne
und schaffen es nicht, in die Erde einzudringen.
Andere vereinen sich und geraten durch Verkettung
glücklicher Umstände in ein Rinnsal.
Sie verästeln, verzweigen sich kegelförmig, wobei viele im Sande verlaufen
oder von saugenden Wurzeln aufgenommen werden.

Wie eine Ader geben sie in großer Zahl den Pflanzen
die Kraft zum Leben. Scheinbar lösen sie sich in Nichts auf,
dabei bewegen sich ihre Bestandteile bereits im nächsten Prozeß.
In verdampfter Form erwarten sie Abkühlung,
die sie zum Krug zurückkehren läßt.
Wenn ich ein Tropfen bin, dann hoffentlich nicht der berühmte auf den heißen Stein.
Eher möchte ich einem Kaktus zum Leben verhelfen,
als zu verduften.

Samstag, 28. Januar 2012

1980 - XIX

Mann nehme

Weiße Beine im Wickelrock, Spargel im Salat,
Ein praktischer Arzt, der Klappstuhl,
Frische Brötchen auf dem Tisch,
Rollende Augen in der Küche,
Schnaps, Zigarette, die Interpunktion
Eines Gespräches ohne Pause,
Wiedergeburt auf der Straße,
Zieh' Dein Hemd aus, geharzter Weißwein;
Dazu etwas schlechte Rockmusik einstreuen,
Aber nur eine Prise.
Ein Schuß Versöhnung nach einem nackten
Gespräch mit einer Zehe verfolgt,
Der gute Rat: nicht einlegen !
Weiter wickeln und mit schwarzem Garn
Nähen, aber nicht zu fest.
Die Entwicklung des Rocks, eine
Ohne Vorbereitung undenkbare Prozedur.
Zumal wegen der vielen Köche, die
Schon immer den Brei verderben.
Die Anbindung mit Mehl bringt
Sie zum schwitzen, daher nur
Kurz knusprig anbraten.
Im eigenen Saft schmoren lassen,
Gegebenenfalls mit etwas Brühe aufgießen.
Schnell noch etwas Blondtönung dazu,
Zur Dekoration Lippenstift,
Bunte Kleidung und ein kleines
Ausgeflipptes Notizbuch,
Wo dieses Rezept Platz findet.

Haare im Mund, ein gebratenes Hähnchen dazu:
Der Appetit kommt erst beim Essen !

Freitag, 27. Januar 2012

1980 - XVIII

Tanz

Augen liegen auf mir,
während Pläne wachsen,
Zeit vergeht, ohne wirklich
zu laufen, solange wir unsere
Brillen nicht wechseln.
Die Einsamkeit sieht uns gestärkt,
zweifellos haben wir sie verdrängt
und lassen sie warten.
Viel gab ich ihr,
der Giftmischerin und
drehe mich mit Dir helleren Sternen entgegen,
oder schweben wir ?

Donnerstag, 26. Januar 2012

1980 - XVII

Zärtlichkeit

Wir reden vom Alleinsein
und der Angst davor
und meinen den warmen Körper,
der uns abends beim Einschlafen
und morgens beim Aufstehen fehlt.
Die Berührung, die uns Vergessen schenkt,
sie verlangt von uns einen Preis.
Wir ändern die Welt,
weil wir unseren Liebsten gefallen möchten,
nicht einsam sein wollen
und wissen, daß wir es sind.

Mittwoch, 25. Januar 2012

1980 - XVI

Spiegelkabinett

Auf der Suche nach dem Selbst
gibt es viele Angebote.
Wie in einem zerbrochenen Spiegel die Scherben auslesen,
die, neu zusammen gefügt, wieder ein ganzes Bild ergeben ?
Der Wahrsager deutet sein Spiegelbild selbst,
doch es gibt viele falsche Propheten.
So sieht sich der Besucher in konvexer, konkaver, perplexer Methaper
und löst allgemeine Erheiterung aus.

Lehrstuhl für iPathologie

Eingeschworene iPad-Fans raten mir weiterhin davon ab, mir eine Displayschutzfolie auf das iPad aufzukleben. Es gelingt auch nicht wirklich. Zwar hatte ich die Blasen einigermaßen heraus, dann aber musste ich im Zug das iPad vorsichtshalber senkrecht stellen, als sich neben mir ein Herr ganz plötzlich setzen musste. Die Folie hat dann am Rand Luft bekommen und ich hatte Bläschen in unbekannter Anzahl auf meinem Display.
Noch kann ich mich nicht entscheiden, die Folie ganz abzureißen. Denn wenn das Display ungeschützt ist, nutzen die Mitreisenden gern mal die Chance, Kontakt mit ihm aufzunehmen.
Das kann dann ein Reißverschluss einer eilig ausgezogenen Jacke sein oder die Kordel irgendeiner Tasche oder sonst eines durch Gegend fliegenden Gegenstandes. Das macht mir Angst insbesondere im Hinblick auf die grob motorisch veranlagten Menschen, die in Deutschland und insbesondere in Regionalzügen der Deutschen Bahn unterwegs sind. Das soll keine diskriminierende Äußerung sein, es basiert alles auf eigenen Beobachtungen.
Das große Display ist wirklich schön, führt nur leider auch dazu, dass meine Mitreisenden zudem genau verfolgen können, wie viel Monster ich gerade abgeschossen habe oder wie dämlich ich mich mal wieder im Schach anstelle. Vom Email lesen mal ganz abgesehen, es ist kaum zu vermeiden, dass jemand Einblick nimmt.
So bleibt mir nur das Lesen der Zeitung, wobei meine wischenden, zusammen- und auseinderziehenden Fingerbewegungen genauestens registriert werden. Sie fallen ja auch deutlicher aus als die eines iPhone-Nutzers.
Letztlich bin ich glücklich, meine herunter geladenen Podcasts gefunden zu haben, sie verstecken sich unter dem Musik-Symbol, was sich mir nicht ohne weiteres erschloss.
Die Spiele im Übrigen sind auf Zukauf von Funktionalitäten angelegt und meist mit Werbung gepflastert, wenn sie kostenlos sind. Noch immer ist mein iPad eine Insel.
Das Übertragen von Fotos ist mir noch nicht gelungen. Ich habe meine erste kostenpflichtige App geladen, mit der es gelingen soll.