Samstag, 3. März 2012

1980 - XLIX

Errare humanum est - let's go west

Automatisieren wir unsere orgiastischen Bemühungen,
möglichst viel des kostbaren Geldgutes zu subsumieren,
stabilisieren wir uns, indem wir statt
mit unmoralischer Gewalt, uns dialogisierend, einzelne Monologe infiltrieren.
Substitute - me for him, unser Video läuft aus in den Alltag,
läßt sich nicht konsumieren, sondern konsumiert, deformiert,
und degeneriert unsere Phantasie zu einer Second-Hand-Erscheinung,
bereits mutiert, erblickt der Gedanke das Abblendlicht der Existenz,
die sich als Lichthupe entpuppt und nach einer kräftigen Tastatur verlangt.
Tja, Freunde, wir alle hängen fest im Netz der Kreuzspinne
und bald wird das letzte bißchen unseres Inhalts ausgelutscht sein.
Der Nihilismus greift greift um sich, er expandiert
mit dem Bruttosozialprodukt, spasmiert sich in Optimismen.
Positivistisch birnengleich entsteht der Konsens in diesem unseren Raumzeitkontinuum,
welches nur durch das schwarze Loch zu beenden ist, doch dafür addiert sich nicht die ausreichende Materialmaterie.
Eine kleine Eruktation kulminiert die Historie des Homo Sapiens.

Freitag, 2. März 2012

1980 - XLVIII

Das Boot

Stille herrscht im Boot. Tauchfahrt, doch die Ortung besagt: Zerstörer im Anmarsch.
Schraubengeräusche, Maschinen halbe Kraft zurück. Der Bildschirm flimmert unruhig. Nicht abzuschütteln, Maschinen stop und tauchen, weit über die Werksgarantie hinaus. Der Stahl stöhnt, Knacken im roten Bereich des Tiefenmessers oder war es das Aufeinanderschlagen der Zähne beim vergeblichen Versuch eine Salznuß zu zermalmen. Chips stehen bereit. Drangvolle Enge und der Mief von fuffzig Mann plötzlich im Wohnzimmer. Jetzt rechnen wir ab, das Boot verharrt regungslos, der Zerstörer rauscht darüber. Tief durchatmen, gleich explodieren die Wasserbomben, vielleicht zum allerletzten Mal.
Das abgebrochene Messer schlitzt den Karton auf, jeder Handgriff muß sitzen. Die Bücher sind in Folie eingeschweißt und fliegen fast von allein auf den Packtisch in Stapeln zu Fünfen, kein Lieferschein, doch da die Rechnung, komm' Junge, hak' die Positionen ab: 5 x Pucki im Wald, 5 x Pucki lernt laufen, 5 x Pucki in der Schule, das wars. Stempel, Eingangsdatum, Herr Pfennischfuchs legt den nächsten Karton vor. Immer wenn Fracht im Hof abgeladen wird, stürmt er über eine Wendeltreppe in den Keller, um seinen Mannen beim Auspacken zu helfen. Auf dem Boot hat er sich um den Diesel gekümmert, da war's noch enger als im Keller.
Volle Paletten in den Aufzug wuchten, Türe zu, klingeln, ab geht die Post. Oben entfernt sich das Mahlen der Schrauben. Detonation !! Eine nach der anderen, alles fliegt durcheinander, die Vormerkungen sind nicht gezogen: Bücher zurückholen. Endlich Stille, das Boot ist noch ganz. Schleichfahrt, bis es wieder heißt: Schiffe im Anmarsch.
Aufzugtüren auf, Vormerkungen rausziehen, Torpedorohre eins bis vier wässern. Es sind dicke Pötte, Frachter, auftauchen, der Aufzug fährt wieder nach oben, Maschinen volle Kraft voraus, alles klarmachen zum Überwasserschuß, Rohre eins bis vier: Feuer! Warten, die Palette wird oben aus dem Aufzug geschoben, Treffer mittschiffs, da und noch einer, Feuer, das Geräusch einer leeren Palette, die in den Aufzug gestellt wird. Zerstörer, volle Fahrt zurück, Tauchen, tiefer, tiefer. Der Aufzug kommt zurück.
Tolle Männer, diese Milchbubis, die naßforschen Typen, was können sie schon einem alten Bücherhasen anhaben. Die Schotten der untergehenden Schiffe krachen wie Paprikachips. Blättern im Bordbuch: Girls in 3-D, Taucherbrille aufsetzen, so richtig treten sie nicht hervor, die Mädels, sehen eher aus wie Pappkameraden, wie sie da in oder ohne Höschen stehen. Heute morgen war die Ampel zwanzig Mal auf rot, komische Schaltung, jetzt auch noch der Bus und jede Menge Kinder zu umkurven. Wieder bummelt der Vordermann.
Der Aufzug mit der leeren Palette ist angekommen. Die Druckwellen der Wasserbomben schütteln das Boot ein letztes Mal, ein schwarzer Finger verdeckt das Bild zunehmend, Beethovens Neunte ertönt, Kartons zerschlagen mit der Faust, falten, pressen, Zeitungspakete schnüren, auf den LKW werfen, das Band läuft schnell, bald endet die Reihe der Pakete. Übrigens, das Sehen mit der 3-D - Brille strengt mehr an, als Fernsehen. Rot und grün bleibt der vorherrschende Eindruck nach Absetzen der Brille. Ich liege nackt im Park und sonne mich. Dorle, Deine Augen sind braun. Mein Nachbar spielt mit seinem Glied. Der Diesel rattert in meinem Kopf.

Donnerstag, 1. März 2012

1980 - XLVII

Kinderbild

Im Zimmer steht ein Kinderbild von mir,
das gleiche wie in Euren Köpfen,
doch ich kehre nicht mehr zurück,
habe den Schlüssel weggeworfen,
weil mich Euer Bild bedrückt wie ein Gefängnis,
ein neues Verließ aus Gedanken umgibt mich
und ich weiß,
das Ihr mich nicht besuchen könnt,
meine Seele schreit nach Freiheit,
aber der Verstand kesselt mich ein,
formuliert die Ängste und bedrückt die Sinne,
schluckt das Gefühl weg wie ein Schalldämpfer.
Herrgott, ich glaube,
ich tausche immer nur eine Zelle mit einer anderen.
Gib' mir endlich ein Zuhause,
eine Zuflucht vor den Übervätern, -müttern meines Kopfes.

Mittwoch, 29. Februar 2012

1980 - XLVI

Hier ist das Aktuelle Mordstudio

Vier Rennfahrer im Seifenkistenrennen,
ein irrer Spaß. Sogar der Moderator lacht unkontrolliert,
setzt dann die Moderatorenmiene auf und fragt den Fahrer Winkelhock
nach seinen beiden kleinen Kindern.
"Die sind wohlauf" sagt Vater und
braust mit 300 Stundenkilometern vor eine Betonwand.
Aus.
Ein Sohn schreibt seinem Vater einen Brief,
erklärt sich, bittet um Verständnis.
Der Vater meint, er brächte das schon
wieder in Ordnung und antwortet nicht.
Fortgesetzt sagen Menschen Dinge, die nicht stimmen,
setzen freundliche Mienen auf,
zum durchaus ernst gemeinten bösen Spiel.
Laßt Euch nur herrichten in der Waffenkammer
der selbsterfahrenen Psychologen,
auf das der Mensch gewappnet sei.
Denn verwundbar ist er von Natur aus und
dies erweist sich in einer Leistungsgesellschaft, die Anpassungsleistung fordert, als seine eigentliche Schwäche.
Die menschliche Aufrüstung und deren Resultate lassen einen starken Brechreiz zurück.

Allein der Ekel verhindert den Auswurf, wie heißt es doch ?
Vornehm geht die Welt zugrunde.
Insgesamt stimmt das.

1980 - XLI

I am death

Tödliche Pfeile treffen meine Seele,
immer wenn die Wunden verheilen, kommen neue hinzu,
mein Blut ergötzt euch,
ihr wollt es sehen,
die Seele ist euch zuwider
und selbst, wenn sie stirbt,
ist es euch nicht recht,
der Körper soll auch beseitigt werden,
denn er drückt das Leiden der Seele aus.
Schafft die Leiche weg,
Zombies,
noch nicht einmal das Ende hat bei euch Würde.

Je suis mort

Dienstag, 28. Februar 2012

1980 - XLV

Kalender

Versuch, die geometrischen Figuren zu ordnen,
die willkürlich in unseren Gedanken als Facetten erscheinen,
durch die die Welt sich bricht, die, hier,
in naiver Weise klar erscheint,
was nichts an der Geborgenheit des Traums ändert,
der die Vergänglichkeit symbolisiert und schützt,
die uns zu erdrücken scheint.

Betrachtet im Spiegel
oder durch die Linse des Photoapparates
manifestieren statische Momente
das Bedürfnis nach Zufriedenheit und geben uns Zeit,
zu erkennen
und danach einzutauchen in die Veränderung der Welt,
die wir auch im nächsten Jahr nicht schaffen werden.

Montag, 27. Februar 2012

1980 - XLIV

König Alkohol

"König Alkohol", dieser Buchtitel von Jack London hat mehr als symbolische Bedeutung, denn die Weise, in der König Alkohol seine Macht erlangt, ist eine magische.
Übt er bei vielen Menschen nur eine vorübergehende, zeitlich begrenzte, Regentschaft aus, so ist der Herrscher Gast im Hause derer, die ihn rufen.
Doch dieser Gast entfaltet bald eine merkwürdige Anziehung.
Er tröstet den Einsamen, hält dem Fragenden seinen Zerrspiegel vor und verspricht dem Vielgeplagten Ablenkung.
Er spielt eine Karte nach der anderen aus, immer noch einen Trumpf in der Hinterhand haltend, um sein Bleiben zu entschuldigen.
Er bleibt dabei stets im Hintergrund und unauffällig, um seinem Opfer den Spielraum zu jeder Selbstverwirklichung zu geben.
Es gibt nur die eine, kleine, Bedingung, nämlich die, daß er Gast bleibt.
Doch in Wirklichkeit könnte sich der Rufende gar nicht mehr von seinem Gast trennen.
Selbst wenn er König Alkohol zum Gehen aufforderte, so würde dies nichts ändern.
Der Ruf nach Ihm ist unwiderruflich.

Er lockt mit seiner klaren, ausdrucksvollen, Sprache, der kalten Wärme und der unbestechlichen Logik des Gefühls.
Er bietet seine Gesellschaft als starker und mächtiger Freund an und gibt Vergessen und scheinbare Ausgeglichenheit zurück.
Ist dieses Angebot erst einmal akzeptiert, so erbietet sich der glitzernde Herr, aufgrund der nun eingegangenen Partnerschaft, alle Probleme zu bereinigen.
Das arme Opfer redet dem König das Wort und glaubt, sein wahres Ich entdeckt zu haben.
König Alkohol weidet sich an dem Irrglaube seiner Opfer in der Sicherheit, sie gewähren lassen zu können.
Den geringsten Zweifel zerstreut er mit dem Aufblitzen seines philosophischen Geistes und treibt mit der Gewißheit seines Daseins sein Opfer von Rausch zu Rauch, von Selbsttäuschung in angenehmen Wahn.
Schließlich wird Er, der Magier, sein Opfer der Bestimmung seines Herrn übergeben.
Das Opfer wird es so wollen.
Wehe um den, der soweit gekommen ist !

Der graue Geselle wartet überall, man kann Ihm nur in Freiheit begegnen.