Wäre es nicht an der Zeit, aus dem Traum auszusteigen und zum Bahnhof zurück zu gehen?
Aber er hatte nicht einmal mehr seine Spielzeugeisenbahn. Teile seiner Identität lagen durch einen Diebstahl tatsächlich auf dem Müll, seine Geburtskarte, sein in Paris gekauftes Beret, das er so gern trug, auch an dem Tag, an dem er seine baldige Ehefrau kennen gelernt hatte.
Aber das Säuglingsgewicht war nun auch nicht mehr wichtig. Er stand als ausgewachsener Mann da in seinem enger gemachten dunkelblauen Anzug und steckte der Braut den Ring auf den falschen Finger. Die Ringe waren schlicht und für seine Begriffe schön. Die Kirche ebenso, was ihm entsprach, auch wenn er mit kirchlichen Zeremonien wenig anfangen konnte. Am Vortag war der Verwaltungsakt auf dem Standesamt ausgerechnet mit der Schwägerin als Trauzeugin vollzogen worden, dann die Fahrt nach Lemgo und abends etliche Schnäpse Bärenfang mit dem Schwiegervater.
Er war allein wie immer, Eltern und Bruder nicht anwesend, der Patenonkel wenigstens schickte Blumen.
"Die Stiefoma hatte die Wohnung meiner Eltern gestürmt mit der Frage 'Was macht ihr mit dem Jungen?' und Vater genötigt, ein Kaffeeservice einzupacken und es mir als Hochzeitsgeschenk zu schicken."
Alles fühlte sich gut und richtig an, an diesem Tag im Mai, der schönstes Wetter brachte.
Paul hätte nicht geglaubt, dass er einmal so etwas erleben würde. Er stand noch auf der Brücke und sah den Dampfloks zu.
Rachel unterbrach seine Gedanken. Sie fragte ihn, ob er glaube, dass die Veröffentlichung der Krankheitsgeschichte des Vaters in dessen Sinne gewesen sei. Paul erwiderte, er glaube an die Geschichte und Vater sei abseits seiner persönlichen Borniertheiten ein offener Mensch gewesen, der mit seiner Meinung nicht hinter den Berg habe halten können. Oft hätte er ihm erzählt, wie er seinen Chef an der Arbeit auf Missstände aufmerksam gemacht habe. Vater hat nie länger als nötig mit den Wölfen geheult und selbst dabei immer seinen Standpunkt gewahrt. Was das denn mit der Krankheitsgeschichte zu tun habe, fragte Rachel unbeirrt weiter, das sei doch etwas sehr Privates.
"Die Geschichte seit seiner Erkrankung zeigt einfach, wie unser Gesundheitswesen funktioniert oder eben nicht. Keiner sollte sich Illusionen darüber machen, wie es am Ende aussieht, wenn die Maschinerie des Krankenhausbetriebs zu arbeiten beginnt und am Ende das Pflegeheim wartet."
Also schreibst Du etwas Politisches im Namen Deines Vaters? "Nein darum geht es nicht, Vater war kritisch bis zum Schluss, aber er hat alles ertragen, ohne zu jammern und er hat mir schlussendlich vertraut.
Darum geht es."
Samstag, 12. Januar 2013
Freitag, 11. Januar 2013
Gold - LXII
Sein Name steht nun an der Tür, in der Bewohnerübersicht im Eingangsbereich steht er noch nicht. Dort wird die Trauer über das Ableben des vorigen Bewohners kund getan. Ich habe Egon ein Poster vom Herkules mitgebracht und ein anderes großes Bild. Ich verlasse eine Baustelle, die noch schlimmer wirkt, als ich am Montag wieder komme. Im Eingangsbereich hängt der Kittel der Pflegerin. Im Sideboard ist seine Flüssignahrung deponiert. Ihr Vater hat eine Infektion, wir dürfen nichts mit hinaus nehmen. Das bisschen Wohnlichkeit ist also schnell perdu. Die von mir mitgebrachten Klingen für einen Wilkinsonrasierer sind wertlos, weil Vater keinen Wilkinsonrasierer hat, sondern einen, den ich in einem Drogeriemarkt für ihn gekauft hatte.
Ich beginne den Schrank zu bauen, werde unterbrochen von einer Pflegerin, die mich "junger Mann" nennt und nach Vater sehen muss. Anfangs schaut Vater mir noch zu, wie ich ratlos Bretter hin- und herlege und Schrauben suche. Als ich dann den Zusammenbau beginne, döst er zunehmend weg. Ich mache zwischen drin Mittag in einem Lokal in Maintal-Hochstadt. In diesem Ort ist auch der für das DRK-Seniorenzentrum zuständige Arzt ansässig. Als ich des nachmittags den Schrank gebaut habe und ihn Vater zeige, sagt er: gute Arbeit.
Wie lange habe ich auf so ein Lob warten müssen? Ich spreche mit ihm noch darüber, welche Möbel ich aus Kassel holen sollte. Er möchte den Fernseher gern wie zuhause in der Ecke stehen haben und meint, das Eckteil von unserer Nussbaumwohnzimmerausstattung, das wäre doch was. Er sagt: das wäre nicht so schlecht, was das gleiche bedeutet wie, das wäre sehr gut.
Ich schleiche durch die Aufenthaltsräume und den Essbereich des Zentrums und bin mir bewusst, dass ich doch beobachtet werde. Vater ist hier ein Neuer, noch dazu einer, der sein Zimmer nie verlässt. Keiner der alten Leute würde mich aber je ansprechen. Die Woche über bin ich beschäftigt. Vater wird Maintaler, ich melde ihn um. In der Meldestelle fragt mich die Sachbearbeiterin, wie es denn ist, wenn man einen Pflegebedürftigen holt. Na ja, sage ich, ich habe keine andere Wahl.
Ich beginne den Schrank zu bauen, werde unterbrochen von einer Pflegerin, die mich "junger Mann" nennt und nach Vater sehen muss. Anfangs schaut Vater mir noch zu, wie ich ratlos Bretter hin- und herlege und Schrauben suche. Als ich dann den Zusammenbau beginne, döst er zunehmend weg. Ich mache zwischen drin Mittag in einem Lokal in Maintal-Hochstadt. In diesem Ort ist auch der für das DRK-Seniorenzentrum zuständige Arzt ansässig. Als ich des nachmittags den Schrank gebaut habe und ihn Vater zeige, sagt er: gute Arbeit.
Wie lange habe ich auf so ein Lob warten müssen? Ich spreche mit ihm noch darüber, welche Möbel ich aus Kassel holen sollte. Er möchte den Fernseher gern wie zuhause in der Ecke stehen haben und meint, das Eckteil von unserer Nussbaumwohnzimmerausstattung, das wäre doch was. Er sagt: das wäre nicht so schlecht, was das gleiche bedeutet wie, das wäre sehr gut.
Ich schleiche durch die Aufenthaltsräume und den Essbereich des Zentrums und bin mir bewusst, dass ich doch beobachtet werde. Vater ist hier ein Neuer, noch dazu einer, der sein Zimmer nie verlässt. Keiner der alten Leute würde mich aber je ansprechen. Die Woche über bin ich beschäftigt. Vater wird Maintaler, ich melde ihn um. In der Meldestelle fragt mich die Sachbearbeiterin, wie es denn ist, wenn man einen Pflegebedürftigen holt. Na ja, sage ich, ich habe keine andere Wahl.
Donnerstag, 10. Januar 2013
Gold - LXI
Pauls erstes Jahr mit der neuen Beziehung machte ihm bewusst, dass sein bisheriges Leben unwiderruflich Geschichte war. Es führte ihn zurück in Zustände, die er längst überwunden zu haben glaubte.
Eine Ausflugsfahrt an den Bodensee brachte ihn an den Rand des Zusammenbruchs. Die Fahrt war bereits sehr anstrengend, das Wetter sehr kalt, noch dazu stand Ostern vor der Tür. Ostern, das Fest seiner Katastrophen. Konnte er schon mit Weihnachten wenig anfangen, so war es mit Ostern noch schlimmer.
Kneipenzeit und beginnende Frühjahrsbeschwerden minderten ohnehin schon immer seine Befindlichkeit.
In diesem Jahr nun zahlte er die Zeche für die sich anbahnenden Konflikte mit dem Elternhaus und die ungewohnten Lebensweisen, die sein neues Leben mit sich brachte.
Rasende Nervosität und die Abwesenheit eines zentralen Bewusstseins, die Angst vor dem Verlust der Kontrolle. Das alles kannte er recht gut und er pflegte nach solchen Zusammenbrüchen relativ schnell wieder auf die Beine zu kommen. Es kam ihm zuweilen sogar so vor, als habe er nur mal kurz Urlaub vom Ich genommen.
Später würde er ein Spiel daraus machen, sich immer mehr aufzubürden und innerlich teilnahmslos zuzusehen, wie er selbst dabei unter ging. Es würde im ein orgiastisches Gefühl bereiten, mit den eigenen Grenzen zu spielen, gerade weil er wusste, dass am Ende immer alles verloren ist.
Aber so weit war Paul in jenen Frühjahrstagen noch nicht.
Sie sahen sich Lindau und Merseburg an, besichtigten ein Dorf auf Pfählen.
Später würde Paul auch klar werden, dass es in Deutschland überall solche Attraktionen gab, denn das Interesse an der Vermarktung führt überall zu Ergebnissen, stachelt die Neugier an und macht vor der Vergangenheit nicht halt.
Seine neue Heimat würde Lemgo sein, der Wohnort der Eltern seiner Freundin.Zweifelsohne waren sie in der Fremde mit ihrem Lebensbund, zuhause würden sie erst dort sein.
Eine Ausflugsfahrt an den Bodensee brachte ihn an den Rand des Zusammenbruchs. Die Fahrt war bereits sehr anstrengend, das Wetter sehr kalt, noch dazu stand Ostern vor der Tür. Ostern, das Fest seiner Katastrophen. Konnte er schon mit Weihnachten wenig anfangen, so war es mit Ostern noch schlimmer.
Kneipenzeit und beginnende Frühjahrsbeschwerden minderten ohnehin schon immer seine Befindlichkeit.
In diesem Jahr nun zahlte er die Zeche für die sich anbahnenden Konflikte mit dem Elternhaus und die ungewohnten Lebensweisen, die sein neues Leben mit sich brachte.
Rasende Nervosität und die Abwesenheit eines zentralen Bewusstseins, die Angst vor dem Verlust der Kontrolle. Das alles kannte er recht gut und er pflegte nach solchen Zusammenbrüchen relativ schnell wieder auf die Beine zu kommen. Es kam ihm zuweilen sogar so vor, als habe er nur mal kurz Urlaub vom Ich genommen.
Später würde er ein Spiel daraus machen, sich immer mehr aufzubürden und innerlich teilnahmslos zuzusehen, wie er selbst dabei unter ging. Es würde im ein orgiastisches Gefühl bereiten, mit den eigenen Grenzen zu spielen, gerade weil er wusste, dass am Ende immer alles verloren ist.
Aber so weit war Paul in jenen Frühjahrstagen noch nicht.
Sie sahen sich Lindau und Merseburg an, besichtigten ein Dorf auf Pfählen.
Später würde Paul auch klar werden, dass es in Deutschland überall solche Attraktionen gab, denn das Interesse an der Vermarktung führt überall zu Ergebnissen, stachelt die Neugier an und macht vor der Vergangenheit nicht halt.
Seine neue Heimat würde Lemgo sein, der Wohnort der Eltern seiner Freundin.Zweifelsohne waren sie in der Fremde mit ihrem Lebensbund, zuhause würden sie erst dort sein.
Mittwoch, 9. Januar 2013
Gold - LX
Helles Holz ist ihm recht, nur soll er nicht so hoch sein. Unsere Wohnung sah anders aus (60er-Jahre Nussbaumfurnier, kantig und auf Füßen stehend). Wir fahren also los, schaffen es aber nur, den Fernseher zu besorgen. Als wir zurück kehren, ist Vater müde, die Euphorie ist vorbei. Wir stellen den Fernseher auf den runden Tisch und ich stelle nach einiger Suche die Sender ein, versuche Vater die Fernbedienung zu geben. Aber er lässt sie fallen. Stattdessen will er, dass das Bett bewegt wird. Das ist sehr schwer. Die Pflegerinnen haben sich von beiden Seiten den Zugang gelassen, Vater will das Bett aber an der Wand haben. Meine Frau tadelt mich, weil ich versuche, auf alles einzugehen. Schließlich verlassen wir etwas im Zwist das Heim.
Ein Problem gibt sich hier mit der Wäsche. Sie wird wie in jedem Heim gescannt und dazu weg gegeben. Er hat also erst mal wieder sehr wenig. Eine gewisse Menge Geld müssen wir im Heim lassen, damit entstehende Auslagen beglichen werden können. Das sind in erster Linie die Medikamentenkosten. Ist Ihr Vater von der Zuzahlung befreit? Ich weiß es nicht. Jetzt denke ich manchmal darüber nach, dass mein Vater nun nur durch einen Bergrücken von mir getrennt untergebracht ist und das er das augenscheinlich gut findet. Bin froh, dass das alles halbwegs auf meinem Arbeitsweg liegt. Das Amtsgericht bekommt nun seinen Heimvertrag und die Kündigung seiner Wohnung wird somit rechtskräftig.
Bei der Heimsuche wurde mir immer gesagt, mein Vater sei noch jung, als ich das Alter mit 77 benenne. Angesichts der Vielzahl der über 80- bis 90-jährigen in den Heimen ist die Aussage verständlich. Das Studium der Todesanzeigen in den Zeitungen sagt anderes.
Davon abgesehen: vermutlich wäre ich froh, 77 Jahre alt zu werden. Aber das Alter ist offensichtlich eine relative Sache.
Am Samstag besorgen wir, wie besprochen, einen Kleiderschrank, aber zum Aufbau reicht mir die Zeit nicht mehr. Ich packe die Teile aus, beschließe aber schnell, damit nicht mehr wirklich zu beginnen. Der Alltag hat mich wieder, Egon winkt ab. Das ist alles nichts, das ist seine Antwort auf die Frage, wie es ihm gefällt.
Ein Problem gibt sich hier mit der Wäsche. Sie wird wie in jedem Heim gescannt und dazu weg gegeben. Er hat also erst mal wieder sehr wenig. Eine gewisse Menge Geld müssen wir im Heim lassen, damit entstehende Auslagen beglichen werden können. Das sind in erster Linie die Medikamentenkosten. Ist Ihr Vater von der Zuzahlung befreit? Ich weiß es nicht. Jetzt denke ich manchmal darüber nach, dass mein Vater nun nur durch einen Bergrücken von mir getrennt untergebracht ist und das er das augenscheinlich gut findet. Bin froh, dass das alles halbwegs auf meinem Arbeitsweg liegt. Das Amtsgericht bekommt nun seinen Heimvertrag und die Kündigung seiner Wohnung wird somit rechtskräftig.
Bei der Heimsuche wurde mir immer gesagt, mein Vater sei noch jung, als ich das Alter mit 77 benenne. Angesichts der Vielzahl der über 80- bis 90-jährigen in den Heimen ist die Aussage verständlich. Das Studium der Todesanzeigen in den Zeitungen sagt anderes.
Davon abgesehen: vermutlich wäre ich froh, 77 Jahre alt zu werden. Aber das Alter ist offensichtlich eine relative Sache.
Am Samstag besorgen wir, wie besprochen, einen Kleiderschrank, aber zum Aufbau reicht mir die Zeit nicht mehr. Ich packe die Teile aus, beschließe aber schnell, damit nicht mehr wirklich zu beginnen. Der Alltag hat mich wieder, Egon winkt ab. Das ist alles nichts, das ist seine Antwort auf die Frage, wie es ihm gefällt.
Dienstag, 8. Januar 2013
Gold - LIX
( Egon hat einen grauen Mantel an, das Wegwerfen dieses Mantels hätte er nie übers Herz gebracht. Er erkennt mich, ich erzähle dies und das, doch alltägliche Dinge versteht er nicht. Ich will ihm sagen, was mit seinem Geld wird. Ich fange damit an, will ein Foto von ihm machen, aber da ist er weg. Auf dem Bild ist ein anderer Mann zu sehen.)
Ich bekomme den Heimvertrag mit, die Leiterin macht mir Mut. Sicher werden sie ihn mobilisieren. Er soll auch an Veranstaltungen teilnehmen. Vielleicht kann ich mal draußen im Innenhof mit ihm sitzen. Den Rollstuhl soll man möglichst früh bei der Krankenkasse bestellen.
Ich teile dem Nordwest-Krankenhaus nun mit, dass ich einen Platz gefunden habe. Am 7. März wird der Tag der Verlegung sein.
Die Sonne scheint, wir sind schon etwas früher da und essen im öffentlichen Speisesaal des Seniorenzentrums zu Mittag. Kurz darauf wird Egon gebracht.
Er ist sehr erfreut, uns zu sehen. Wir folgen ihm aufs Zimmer, wo er gleich feststellt, dass kein Fernseher da ist. Beim Umbetten bemerkt er, dass das Bett in Ordnung ist. Neben der Heimleiterin, die ihn im Namen des Heims begrüßt, ist die zuständige Pflegeschwester da, insgesamt stehen vier Personen als Empfangskomitee an seinem Bett. Mir fehlt nichts, sagt er, nur die Gesundheit. Er genießt das große Publikum. Er lässt sich erklären, dass er ein eigenes Bad hat. Er muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Keller gibt. Obwohl er sich mal den ersten Stock gewünscht hat, kritisiert er das jetzt. Sein Zimmer ist bis auf das Bett eigentlich nicht möbliert. Das Heim hat aber ein Sideboard und einen Tisch mit zwei Stühlen ausgeliehen. Den Fernseher wollen wir nun schnellstens besorgen.
Als das offizielle Ende der Begrüßung zu ende ist, versucht Egon mir was von den Eindrücken während der Fahrt zu berichten. Ich verstehe ihn jedoch kaum, habe das Gefühl, dass es um irgendwelche Wiesen geht, die er unterwegs gesehen hat. Ich erkläre ihm , dass er direkt am Rand der Streuobstwiesen liegt, wo die Äpfel für den Apfelwein wachsen. Davon hätte er auch noch gern was, stellt er fest. Wir sprechen noch über den Schrank, den wir besorgen wollen.
Ich bekomme den Heimvertrag mit, die Leiterin macht mir Mut. Sicher werden sie ihn mobilisieren. Er soll auch an Veranstaltungen teilnehmen. Vielleicht kann ich mal draußen im Innenhof mit ihm sitzen. Den Rollstuhl soll man möglichst früh bei der Krankenkasse bestellen.
Ich teile dem Nordwest-Krankenhaus nun mit, dass ich einen Platz gefunden habe. Am 7. März wird der Tag der Verlegung sein.
Die Sonne scheint, wir sind schon etwas früher da und essen im öffentlichen Speisesaal des Seniorenzentrums zu Mittag. Kurz darauf wird Egon gebracht.
Er ist sehr erfreut, uns zu sehen. Wir folgen ihm aufs Zimmer, wo er gleich feststellt, dass kein Fernseher da ist. Beim Umbetten bemerkt er, dass das Bett in Ordnung ist. Neben der Heimleiterin, die ihn im Namen des Heims begrüßt, ist die zuständige Pflegeschwester da, insgesamt stehen vier Personen als Empfangskomitee an seinem Bett. Mir fehlt nichts, sagt er, nur die Gesundheit. Er genießt das große Publikum. Er lässt sich erklären, dass er ein eigenes Bad hat. Er muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es keinen Keller gibt. Obwohl er sich mal den ersten Stock gewünscht hat, kritisiert er das jetzt. Sein Zimmer ist bis auf das Bett eigentlich nicht möbliert. Das Heim hat aber ein Sideboard und einen Tisch mit zwei Stühlen ausgeliehen. Den Fernseher wollen wir nun schnellstens besorgen.
Als das offizielle Ende der Begrüßung zu ende ist, versucht Egon mir was von den Eindrücken während der Fahrt zu berichten. Ich verstehe ihn jedoch kaum, habe das Gefühl, dass es um irgendwelche Wiesen geht, die er unterwegs gesehen hat. Ich erkläre ihm , dass er direkt am Rand der Streuobstwiesen liegt, wo die Äpfel für den Apfelwein wachsen. Davon hätte er auch noch gern was, stellt er fest. Wir sprechen noch über den Schrank, den wir besorgen wollen.
Montag, 7. Januar 2013
Gold - LVIII
Eines schönen Wintertages fuhr Paul mit dem Zug in die Stadt, um seine Wiedereinstellung perfekt zu machen. Zum Glück war der Chef wegen des Studiums nicht nachtragend. Und es war auch für ihn eine einfache Lösung, Paul wieder einzustellen, denn die Stelle, die Paul vorher inne hatte, war wieder frei geworden. Damit war seine finanzielle Unabhängigkeit gesichert und Paul über den Verdacht erhaben, von seiner Freundin leben zu wollen. Was er einst als Stagnation empfunden hätte, sah er nun als die sichere Rettung. Wenngleich er schon ahnte, dass seine Unzufriedenheit zurück kehren könnte, denn an den Herrschaftsgebaren seines Chefs hatte sich naturgemäß nichts geändert. Er war Frauen gegenüber wesentlich aufgeschlossener und glaubte immer in jeder Äußerung eines Mannes, die seiner Meinung widersprach, einen Angriff auf sein Patriarchat sehen zu müssen. Das machte es Paul schwer, sich wohl zu fühlen, zumal er solche Verhaltensweisen bestens kannte. Die Personalpolitik des Chefs war eindeutig, hier arbeiteten überwiegend junge Frauen. Eine Kollegin zum Beispiel, die manche Äußerungen Pauls mit einem herzhaften Lachen quittierte. Sie lud ihn zu sich nach hause ein, um ihm einen Vogel zu zeigen (das meinte sie ernst), dabei war klar, sie hatte bereits einen Freund. Der Arbeitsplatz erschien Paul mehr und mehr als wenig gutes Pflaster für einen mühsam den Hafen der Ehe ansteuernden Mann.
Paul näherte sich einem zurück haltenden, stets um Seriosität bedachten Mann an, der im Verlag als Autorenbetreuer arbeitete und zweifelsohne ein besseres Standing als er selbst genoss.
Paul hatte geträumt und erzählte während eines gemeinsamen Kneipenbesuchs davon. Die Eltern waren beide gestorben und er empfand das Gefühl des Verlustes als entsetzlich. Sie sprachen also über seine Eltern, die zu dem damaligen Zeitpunkt beide noch sehr lebendig waren und insbesondere über den Vater.
Überraschenderweise fand Paul nun in seinem Gesprächspartner einen verständnisvollen Menschen, der ihm die Rolle des Vaters zu erklären suchte. Ob er denn meinen würde, dass der Vater alles so gewollt habe, wie es sei. Er habe doch immerhin eine Familie aufgebaut, seine Familie und suche sicher ab und zu seine Freiheit. Da fand sich Paul wider Willens in der Position eines Anklägers, dem die moralische Berechtigung für ein Urteil fehlte.
Paul näherte sich einem zurück haltenden, stets um Seriosität bedachten Mann an, der im Verlag als Autorenbetreuer arbeitete und zweifelsohne ein besseres Standing als er selbst genoss.
Paul hatte geträumt und erzählte während eines gemeinsamen Kneipenbesuchs davon. Die Eltern waren beide gestorben und er empfand das Gefühl des Verlustes als entsetzlich. Sie sprachen also über seine Eltern, die zu dem damaligen Zeitpunkt beide noch sehr lebendig waren und insbesondere über den Vater.
Überraschenderweise fand Paul nun in seinem Gesprächspartner einen verständnisvollen Menschen, der ihm die Rolle des Vaters zu erklären suchte. Ob er denn meinen würde, dass der Vater alles so gewollt habe, wie es sei. Er habe doch immerhin eine Familie aufgebaut, seine Familie und suche sicher ab und zu seine Freiheit. Da fand sich Paul wider Willens in der Position eines Anklägers, dem die moralische Berechtigung für ein Urteil fehlte.
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