Samstag, 23. Januar 2021

Soldat

Ein Untermieter von mir sagte einmal, ich habe eine große Seele. Ein Neurologe meinte, ich sei eine treue Seele. Manche denken vielleicht, ich sei sozial eingestellt. Ein Arbeitskollege von mir meinte einfach, ich sei blöd. Was stimmt denn nun? Viele sind ja auf der Suche nach ihrem Selbst. "Sei du selbst." Das ist ein sehr beliebter Spruch, der ebenso sinnlos ist, wie der, dass man nach vorn schauen soll. Dieter Hildebrandt meinte dazu einmal, vorn habe er nichts gesehen. Es scheint allerdings so, dass es so wie es weiter gehen wird auch schon in der Vergangenheit ausgesehen hat. Als meine eigene Konstante habe ich immer den "Soldat des Lebens" gesehen. Der ist Teil von mir. Es ist ein bisschen von allem: Pflichterfüllung, Verantwortungsbewusstsein, Treue dem gegenüber, was ich einmal als wahr zu erkennen glaubte. Ich kann mir nahestehende Menschen nicht verlassen, wenn ich weiß, es geht ihnen dann schlecht. Ich selbst habe das oft genug erlebt. Empathie gehört zu einem solchen Gefühl. Woher das alles kommt, der Schlüssel dazu liegt in der Familie. Hier herrschte in der väterlichen Erziehung diese Strenge und ein Konservatismus, der keinen Ausbruch erlaubte. Das habe ich aufgesogen. Mein Vater hätte allen Grund gehabt, meine Mutter zu verlassen. Sie hat ihre mütterlichen Aufgaben vernachlässigt und konnte aufgrund ihres Alkohol- und Nikotinmissbrauchs noch nicht einmal sie selbst sein. Er hat es nicht getan und sogar ihren Wunsch respektiert, nicht ins Krankenhaus gehen zu wollen, obwohl dies notwendig gewesen wäre. Dadurch hat er sie doch verloren. Ist das Liebe oder einfach Angst vor einer Veränderung?

Auch im Beruf glaubte ich stets, durch gute Arbeit andere zu überzeugen. Vor allem aber für mich selbst war es wichtig, auch wenn ich beim Erfolg bei anderen zweifelte. Mir war es nicht möglich, geringem Aufwand großen Erfolg zu haben. Da machte ich lieber das, was andere nicht wollten: mit großem Aufwand wenig Erfolg bei anderen zu haben. Ein Soldat lehnt sich eben nicht auf. Das mag blöd sein, ist aber ein Teil von mir. Ein Teil meiner vielschichtigen Welten. Ich bin nicht ich selbst, ich habe mich und brauche nicht mehr. 

Montag, 18. Januar 2021

Wissen

"So stürzen die Menschenleben in einander, und wenn man's nicht aufschreibt, vergißt man's und viele wissen gar nicht, was sie alles erlebt haben." 

Das schreibt Heinrich Laube in seinem Buch "Eine Fahrt nach Pommern und der Insel Rügen" von 1837.

Es gibt Erkenntnisse, die sind und bleiben aktuell. Ich neige dazu, mir Dinge aufzuschreiben, lese sie allerdings danach kaum wieder und bin dann oft erstaunt, wenn ich über alte Texte zufällig stolpere.  Sowohl Erinnerungen als auch Dinge können verloren gehen, wie ich nachstehend beschreibe. 

 Zunächst schien es mir, als sei ich auf einer Klassenfeier. Ich sprach jedoch mit keiner Person, beschränkte mich auf die reine Anwesenheit, obwohl jemand für mich da war. Als ich das Treffen verließ, hatte ich vier Bücher unter dem Arm, die mir wichtig waren. Bevor ich den Nachhauseweg antreten konnte, hatte ich sie nicht mehr. Sie waren wohl irgendwo liegen geblieben. Zu spät um zurück zu gehen und sie zu suchen, denn meine Bahn fuhr ab und ich fand nur mit Mühe einen Platz. Ich rekapitulierte den Inhalt eines Buches vor meinem geistigen Auge. Das gelang mir, aber die restlichen drei waren verloren.