Samstag, 12. Mai 2012

2000 - XX

"Ich schreibe im Dunkeln"

Was trieb, war unheimlich klein, doch die Kraft ließ nicht nach. Viel stärkere Antriebe hatten versagt. Zu groß geraten, wurden die so bewegten Objekte von Meteoriten getroffen. Schwerlich zu identifizieren als Ziel, so lautete die Formel die Formel des Erfolgs. Er würde unendlich treiben, um irgendwann etwas Leben zu finden. Die Sonne schien ohne Wirkung, das kleine Feuer in der Holzhütte fühlte sich ungleich wärmer an. Den Schatz der Zeit genoß er draußen vor der Tür beim Blick auf den zugefrorenen See und die tief verschneite Landschaft. Im Nerz gehüllt, warf er einen Blick durch die Scheibe, auf dem Tisch lag ein Buch über die Raumfahrer, die Kosmonauten. Er las darin und dachte an den taumelnd die Sonne umkreisenden Planeten, der manchmal der seine zu sein schien. Ein riesiges Raumschiff ohne eigenen Antrieb, nur von der Gewalt der Anziehungskräfte an- und abgestoßen, ohnmächtig die Bahn zu verlassen, deren Einhaltung seinen Bestand garantierte. Es war überflüssig, seinen Lauf durch einen Kommandanten überwachen zu lassen.. Die Naturgewalten bestimmten es und regelten auch den kurzen Sommer und den langen Winter, die Kälte des Sees, das Summen der Mücken über launigen Mooren, all das waren Zeichen. Die Größe des Landes, des Eismeers und der Milliarden Schicksale, alles nahm Platz auf einem Staubkorn des Kosmos. Die Größe des Weltalls in der es nichts zu entdecken gab außer der eigenen Bedeutungslosigkeit. Sie gab ihm die Kraft hier zu sitzen, sein Heim als gemütlichen Platz zu entdecken, sich an den Spielen des Lichts zu erfreuen und manchmal einen Wodka nach dem anderen zu trinken, wenn das Essen gut, die Freunde da und die Liebe seltener zu Gast waren. Sie sagten, er schreibe im Dunkeln, weil er was auf das Papier kritzelte und meistens vergaß, was er einen Moment lang gedacht hatte, wenn er das nicht tat. Wenn das Eis aufbricht, ginge er wieder zum Fischen.
Seine Zettel verwelkten wie abgefallene Blüten, doch er würde neue beschreiben, sobald er in der Stadt etwas Papier kaufen könnte. Sein Haar schien grau und er dachte immer noch wie ein Kind, wenn es um die Freunde ging. Er strahlte, wenn sie kamen und vergaß sie, sobald die Tür hinter ihnen ins Schloß gefallen war. Pjotr, der Kosmonaut, umkreiste die Welt in seiner Kapsel wie einst Juri Gagarin, allein. Längst hatte er den Kontakt zum Boden verloren und würde ihn nicht mehr finden. Der Staat hatte aufgehört zu sein, was er einst vorgab: ein Brotgeber. Zahlungen gab es schon lange keine mehr. Pjotr handelte, tauschte Naturalien. Aus dem bediensteten Forstaufseher war ein selbständiger Verwalter geworden, der einfach die Arbeit seines Vorgängers auf eigene Rechnung übernommen hatte. Er versorgte seine Freunde mit Fleisch und Fisch und bekam dafür alles, was er brauchte: Tabak, Wodka und ein paar Lebensmittel. Natürlich auch Berichte über den Kosmos, den er zu einem ganz kleinen Teil überblickte. Gewiß, für Frauen war seine neu gewonnene Freiheit nicht viel wert, aber er genoß sie zunehmend. Wenn er morgens aus den warmen Fellen aufstehen mußte, wartete er genüßlich, bis ihn ein Anfall von Kraft dazu bringen würde, endlich aufzusitzen und dann ein Feuer zu entzünden, um die kleine Stube zu erwärmen. Eines Tages würde er nicht mehr aufstehen, das wußte er, aber bis dahin würde er jeden Moment einzeln auskosten. Das Glas zögerlich austrinken und immer wieder absetzen, wohlwissend das der letzte Schluck irgendwann getrunken werden muß.
Ein Kosmonaut kennt nicht den ganzen Kosmos, aber er ist dennoch Kosmonaut. Seine Reisen sind lang und doch in kosmischen Maßstäben unbedeutend. Die Erfahrung, die er dabei sammelt, ist riesig. Soeben blinzelt die Sonne durch die matten Scheiben seiner Datscha und Mütterchen Rußland tanzt mit Väterchen Frost. Spasiba!

Freitag, 11. Mai 2012

2000 - XIX

Öffentlicher Nahverkehr

Die Arme des Nachbarn werden langsam breiter,
da ist die Betriebsstörung, es geht nicht weiter.
Vielleicht klingt es jetzt zu vermessen,
ich habe einmal besser gesessen.
Gleich gebe ich dem Nachbarn einen Kuß,
damit dieser endlich aussteigen muß.
Es gab da doch einen Unfall,
meldet der Fahrer mit Krawall.
So blättere ich meine Zeitung um,
lese über allen Worten herum.
Von Hilfsbereitschaft und Toleranz
steht es gedruckt ohne Firlefanz.
Dermaßen und über alles belehrt
fühle ich mich so richtig verkehrt,
mache mich noch ein bißchen kleiner,
meinem Nachbarn geht es noch feiner,
schlägt den Koffer mir auf mein Knie,
der Schmerz danach läßt nach und wie!
Eine alte Dame faßt über meinem Kopf
Und erreicht dann auch endlich den Halteknopf.
Die Türen sind sogleich offen,
eine neue Freiheit läßt mich hoffen.
Mein Nachbar ist sofort aufgestanden,
mir ist wie im Flieger nach dem Landen.
Fast möchte ich applaudieren,
um mir Beifall zu spendieren.
Da ertönt wieder einmal die Stimme,
die Störung geht noch weiter, die schlimme.
Der Nachbar kommt schon wieder zurück,
ich zucke, rucke, rutsche ein Stück.
Da sagt er: was sind Sie empfindlich!
Wohin denken Sie: nur befindlich.

Donnerstag, 10. Mai 2012

2000 - XVIII

3. Oktober

Einigkeit und Recht:
Banane
und Freiheit, Urlaub:
Spanien,
Speisesaal und Strand:
Banane,
Feiertag im Bund:
Flughafen,
Republik nimmt mit:
Banane.

Mittwoch, 9. Mai 2012

2000 - XVII

Starker Wind

Hombre, hombre, rufen die Ladies von hinten. Eine von ihnen hatte bemerkt, daß dem Busfahrer immer wieder die Augen zu fielen. So fuhr er mit halb geschlossenen Augen meist links auf der Fahrbahn, um kurz vor dem Gegenverkehr immer nach rechts auszuweichen. Das Manöver gelang ihm perfekt, er kannte die Strecke vom Flughafen wie im Schlaf. Der Rest der Passagiere verhielt sich ja auch ruhig. Harrte geduldig auf das Ende der Fahrt mit diesem Kleinbus, in dem Anschnallen nötig, aber nicht möglich war.
Sondertransfer, so heißt das eigentlich im Reisekatalog. Sollte sich jeder gönnen, der schneller ankommen will im gebuchten Hotel. Caramba, er mußte ihnen was zeigen, zum Beispiel, wie in einer Kurve ohne Sicht überholt wird. Ein anderes Mal demonstrierte er das gerade noch so eben Einscheren nach der Beendigung eines Überholvorgangs, natürlich in einer Kurve. Die Landschaft rings herum zeigte sich monoton felsig, hier einmal eine Verzweigung nach Antigua, dann wieder in eine andere Richtung. Die Straße war schon sehr gut asphaltiert, gleich würden die richtig kurvigen Abschnitte an der Costa Calma folgen und den Spannungsbogen im Bus erhöhen.
Doch Félipe wollte nur eins: schnell in den Feierabend. Er war heute schon einige Male diese Stecke gefahren, früh aufgestanden und es würde abends ebenso spät werden. Seine schläfrig direkte Fahrweise führte zum Ziel, er drehte einfach den Innenspiegel weg. Nun konnten die Ladies das Spiel seiner Augenlider nicht mehr beobachten. Die Männer im Bus dachten auch, es sei gut, wenn der Fahrer ein bißchen Gas gibt, ihm reinzureden bringt es nicht, schließlich versteht er dann garantiert kein Deutsch mehr. Mann will nicht unhöflich sein. Aber die Ladies im Bus zeigten kein Einsehen, verlangten, daß der Fahrer von einem Beifahrer beaufsichtigt und im Falle eines Falles mal angestoßen wird. Diese Bemühungen fielen jedoch alle der Sturheit der übrigen Passagiere zum Opfer. So konnte Hombre Félipe seinen Fahrstil weiter kultivieren. Hier und da tauchten hinter einer Kurve die Wellen des Atlantik in beruhigender Entfernung auf. Was er beim Bergauf verlor, holte sich Félipe bergab zurück: Geschwindigkeit. Erst zwei Kilometer nach dem ersten Hotel fiel einem der Vorsitzer auf, das das wohl seines war. Also zurück auf unerfindlichen Wegen auf die Straße, rein in die Einfahrt und über lästige Bordsteine hinweg. Bald, so hofften sie, würden auch die Ladies am Ziel sein.
Willkommen im Club.



Dienstag, 8. Mai 2012

2000 - XVI

Handwerkszeug

Sie müssen schon mehr tun, als nett sein, junger Mann!
rief die ältere Verkäuferin ihm zu, als er ratend vor dem Verkaufstresen stand.
Die jüngere pflichtete eifrig bei.
Was darf es denn sein? Ein Brötchen bitte!
Vollkornbrötchen? Nein, er wünschte sich ein weißes, schmales mit einer Kerbe in der Mitte.
Nein, ein weißes bitte!
Kaiser-, Rosen-, Buttermilch-, Mohn-, Sesambrötchen oder eine Schribbe?
Er grübelte, früher war alles so einfach, das zum Bäcker gehen und einfach Brötchen verlangen
und bekommen.
Dieser Luxus des Auswählens brachte ihn in Verlegenheit, obgleich
preislich eine gewisse Angemessenheit mit dem Angebot zu erkennen war.
Ungefähr so schwer wie aus der Form des Brötchenteigs sich das Endprodukt vorzustellen, ebenso belastete
es ihn, den Geschmack des Endprodukts zu erahnen.
In der Präbackmischungszeit hatte eine gewisse Unverwechselbarkeit beim Biß ins Brötchen gewirkt.
Das frische Innere und die knusprige Schale, die Erinnerung daran schlug Wellen in seinem Gedächtnis.
Unzufriedenheit stand in seinem Gesicht und fiel auf ihn zurück.
Backen Sie doch selbst, junger Mann! barschte die Alte ihn an.
Gute Idee, aber mit welchem Grundteig?
Er machte sich ja seine Wurst auch nicht selbst,
der Gedanke mit einem Eimer Wurst und einem Meter Darm den Metzger zu verlassen,
kam ihm amüsant vor.
Fast normal dagegen, sich die Brötchen selbst zu verbrennen.
Weißen Teig bitte! herrschte er die junge Verkäuferin an.
Da müssen sie morgens früher aufstehen, jetzt ist der Teig ausgegangen.
Er war versucht zu fragen, wohin. Gut dann eben ein Baguettebrötchen, der Ausweg!
Hatten Sie vorbestellt? Schaltete sich die Alte ein, ein bißchen triumphierend.
Sein Auge fiel auf ein eingepacktes Stück Weißbrot, geschnitten.
Sandwich ist weißer als Brötchen und weicher.
Aber es fehlt der Charakter.


Träume weiter diesen chrunchigen Traum
Und nimm' das Innere aus dem Brötchen
die Kruste davon ist gebräunter Flaum,
die Vorstellung davon gibt Dir Pfötchen.

So hauchte die holde Bäckersfee.
Er zog ein weißes Taschentuch aus der Hosentasche, musste er nicht zur Tankstelle?
Knacke uind backe, wenigstens die im Regal weißen Brötchen!

Wunderkindle?

Ja, auch ich als Buchfreund habe mich mit dem Kindle angefreundet. Da es mir schon immer auf den Inhalt und nicht das Buch an sich angekommen ist, war das zunächst ein leichtes für mich. Ich habe aber dennoch die kostengünstigste Variante gewählt, weil ich glaubte, ganz puristisch ohne viel Schnickschnack auszukommen.
Das ich das mittlerweile bereue, liegt daran, dass ich gern im Netz recherchiere und dort relativ viele interessante Texte im PDF-Format vorliegen. Zwar ist es praktisch, dass man diese nach dem Speichern rasch per Email zur Verfügung hat, aber das Lesen ist nun mal, wenn man den Touchscreen gewohnt ist, mühselig. Zwar lässt sich die Schrift beliebig vergrößern, aber man ist dann relativ häufig zum Scrollen gezwungen und das ist recht aufwändig. Die Tasten sind schwergängig, man fühlt sich in eine frühere Zeit versetzt. Selbst das Blättern der Seiten braucht eine gewisse Fingerkraft.
Nun ja, könnte man meinen, ein Kindle ist ja auch zur Lektüre von Büchern und damit ordentlich formatierten E-Books geschaffen. Das hat zweifelsohne seinen Reiz, wobei mir aber sehr schnell klar wurde, warum die mit Hülle beworbenen Kindles oft mit Leselampe gezeigt werden. Die kann man sehr schnell gebrauchen, wenn die Umgebung dunkel ist. Gut finde ich "Mein Kindle" vor allem im Amazonshop, da habe ich alle Dokumente und Bücher auf einen Blick und kann sie auch gleich lesen, was  bei den Dokumenten gern auf meinem iPad erledige. Nun fragt es sich, wozu brauche ich da überhaupt den Kindle? An den Strand werde ich gewisslich nicht gehen, um in meinem Kindle zu lesen, dafür sind mir die knapp 100 € doch im Verlustfall zu teuer und ich würde mich auch ärgern, wenn jemand Zugriff auf meine Dokumentensammlung bekommen würde. Klar, ich kann meine Sammlung mit einem Passwort schützen, aber was alles mit einem Buch zu tun?
Manchmal will man Texte nicht mehr lesen, auch bei Büchern ist das so. Ich kann also in "Mein Kindle" diese Texte einfach löschen. Nun vorauszusetzen, dass nach der nächsten Synchronisation die Texte auch auf meinem Kindle verschwunden sind, ist ein Fehler. Ich muss die Löschungen auf meinem Kindle manuell vornehmen.
Ich bin mir also aufgrund meiner Erfahrungen überhaupt noch nicht sicher, ob der Kindle mir das Buch ersetzen wird und zu welchem Zweck ich ihn überhaupt einsetzen will. Die hier geschriebenen überwiegend positiven Rezensionen erscheinen mir als übertriebener Jubel. Durch den Kindle wird ja das Lesen nicht günstiger, denn außer den viel beworbenen kostenfreien Klassikern gibt es E-Books deutscher Verlage nur zu demselben Preis wie im Buchladen. Und solange das so ist, gibt es keinen Vorteil gegenüber dem echten Buch. Wer gern fremdsprachig liest, kann sicher etwas sparen. Ein Problem wird aber das Auffinden relevanter Neuheiten und Themen im Kindle-Shop sein. Man gebe einmal "2. Weltkrieg" oder "1945" ein, das Ergebnis ist recht dürftig. Zugegeben, das hat eigentlich nichts mit dem E-Book-Reader an sich zu tun, aber es braucht natürlich auch gute Quellen, also ein gutes Sortiment, wenn ich mich mit dem Kindle so bewegen will, wie als Kunde im Buchladen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Kindle ein Statusprodukt mit einigen guten Ansätzen aber noch zu wenig Bedienungskomfort. Deswegen kann es weder vier noch fünf Sterne dafür geben.