Freitag, 28. September 2012

iPaddelei


Ein Jahr Erfahrung liegt nun hinter mir als Benutzer des iPad2. Ein Jahr, in dem ich das mir immer schwerer scheinende Teil treu und brav in meiner Tasche herum trage. Das Auspacken unterwegs ist mir eigentlich schon zuviel Aufwand. Vorwand für die Anschaffung des iPads war ein Zeitungsabo. Doch ich muss bis heute feststellen, dass mich das unerschöpfliche Angebot an Apps bis heute davon abhält, meine Zeitung wirklich zu lesen. Die "App des Tages" beginnt mich mehr zu interessieren als die redaktionellen Inhalte der Zeitung. Als Zeitungstext nehme ich das Gelesene ohnehin nicht war. Und meine Zeit und Energie droht im gleichen Verhältnis abzunehmen wie die Lebensdauer des Akku im iPad.
Passives Genießen und leider auch der Überfluss an abschaltbaren Push-Mitteilungen scheinen zum Credo der App-Welt zu gehören.
Doch was ist nun eigentlich das iPad: als Telefon zu unhandlich, als Laptop zu eingeschränkt ist es eher ein mobiles Surfgerät mit Emailempfang und eine Spielekonsole. Wobei die meisten Spiele nur eingeschränkte grafische Optionen offenbaren.
Nicht zu übersehen sind die mangelhaften Möglichkeiten der Synchronisation mit einem herkömmlichen Windows-PC oder Laptop. So lädt das iPad nicht seinen Akku, wenn es nicht mit einem Apple-PC oder -Laptop verbunden ist.
Und obwohl ich iTunes lästigerweise immer brav auch auf meinem Laptop aktualisiere, synchronisiert sich längst nicht alles.
Aber zurück zum Zeitungsabo: sollte ich weider eines wollen, dann nur in gedruckter Form. Nicht wegen der Druckerschwärze, aber wegen der Ruhe, die ich dann beim Zeitungslesen habe werde. Lesen statt Laden, das ist meine Zukunft.
Fazit: das Inseldenken von Apple ist out. Dem etwas etwas größeren Touchscreenhandy mit einer vernünftigen Kamera und der Anbindung an alle gängigen Systeme gehört die Zukunft. Wer aktiv arbeiten will, der kommt um einen PC oder Laptop mit Drucker sowieso nicht herum.

Donnerstag, 27. September 2012

Gold X

Aber die Burg da vorn, sie ist nicht echt, so wenig wie die schon als Ruinen gebauten Ritterburgen der Landgrafen und Könige vergangener Jahrhunderte. Etwas Ritterlichkeit in den Alltag zu retten, das habe ich mir vorgestellt. Streit nach gewissen Regeln, Kampf unter Gleichen und nicht unter Ungleichen. Sich nach einer Auseinandersetzung noch in die Augen sehen und die Hand reichen können. Das war auch der Grundsatz meines Vaters. Dem ich nicht immer folgen konnte, so aufgeregt war ich über seine Maßregelungen. 
Seine Hand, die reichte er mir immer und sie war so kalt an jenem Abend.
Das Vertrauen in andere Menschen war bei ihm nicht vorhanden und da herrschte zwischen uns stillschweigende Einigkeit.
Da ist es schon leichter, dem Funktionieren von Dingen zu vertrauen. Züge fahren auf dem Gleis, sie fahren nicht einfach woanders hin. Gleise sind wie Pläne. Pläne, von denen er so viele hatte. 
Wolfgang träumt oft und nimmt nicht am Unterricht teil. So hieß es in der Schule. Er solle andere an seinem Wissen teilhaben lassen, das war später. Er unterliegt diesen Plänen, verliert bei beim Versuch, diese zu erreichen, manches Mal den Überblick. Meist gilt es für ihn, fremde Anforderungen zu erfüllen. Diese Art der Jagd nach Liebe ist sein Lieblingsplaisir. Viele erfüllte Wünsche ziehen aber neue unerfüllte nach sich. So ruht er in einer Art Unruhe, die ein Vorwärts nicht einschließt. Dinge nehmen ihn nach wie vor gefangen. 
Vor dem Bahnhof brennt jetzt ein Licht. An dem See könnte er sitzen, mit einer Frau tanzen und sie danach küssen, um Hand in Hand mit ihr durch Orte zu gehen, die er gern wieder sehen möchte. 
Später, er weiß, dass er das kann.
Er hat bereits Pläne geheiratet, Pläne und eine Unruhe, die sich nach außen bricht, ihn in seinen Bann zieht.
Die nichts weiß von seinem goldenen Buch, das gerade wieder durch einen achtlos vorbei schrammenden Rucksack beschädigt zu werden droht. Der Rucksackträger sagt sogar: Entschuldigung. 

Mittwoch, 26. September 2012

Gold IX

Wenn Einem die Dinge nicht wichtig sind, wozu lebt man dann? Da Menschen sich stets nach den gleichen Mustern verhalten und auch in ihrer Fähigkeit, anderen ihre Zuneigung zu zeigen, nicht sehr beständig sind, bleibt die Leidenschaft schnell auf der Strecke. Die Leidenschaft zum Beispiel, sich für Dinge zu interessieren, Umstände zu verändern, Herr seines Lebens zu sein.
Zu hause bei meinen Eltern hatte ich viel Zeit, zu studieren, wie sich das Interesse an Menschen verliert. Resignation und Flucht, das Bewusstsein änderte sich. Der andere ist schuld, nie man selbst. Das Warten auf den Schluck oder das Ausweichen. Ich bin geflohen. 
Ich komme dieser Ritterburg einfach nicht näher. Stelle mir vor, wie die Ritter ihrem König die Treue schwören. Wie sie ihn begleiten, um für ihn zu kämpfen. Mit gezogenen Schwertern aus dem Wald reiten, um zu einer letzten Schlacht für das Gute anzutreten, ohne an das eigene Leben zu denken. Das hatten wir doch schon einmal? Und ich wäre Einer von ihnen gewesen.Aber als Ritter gehörte man eigentlich zu einem höheren Stand. Wie hätte ich diesen erreichen sollen, wenn nicht von Geburt an dazu gehörend?
Eine schöne Vorstellung ist das sicher, einen Knappen an seiner Seite zu haben.
Am nächsten Tag ist Vater erleichtert, dass das Portemonnaie da ist, ich zeige ihm auch seinen Wohnungsschlüssel. Mühsam öffnet er es, sieht ein paar Glieder eine Kette und sagt, die Rosi mochte so etwas. Wir legen es in seinen Nachttisch und deponieren die Wäsche im Schrank. Er ist allein in einem Zweibettzimmer und dämmert vor sich hin.
Ich halte seine Hand, er beschwert sich über das Essen. Zu hause wäre das viel besser und er will auch wieder in die Wohnung. Ich sage ihm, was ich erfahren habe. Er soll sehr schnell zu einer Reha nach Bad Wildungen geschickt werden. Ist das weit weg, fragt er. Nein, erwidere ich und er ist erleichtert. Er spricht besser als am Tag zuvor, aber da er auch an diesem Tag seine Zähne nicht im Mund hat, ist er schwer zu verstehen. Mir wird klar, dass ich seine letzte Hoffnung bin. Er betrachtet mich als Helfer, um diesen Zustand in jeder Hinsicht zu verlassen. Vater und Sohn in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, sind zusammen gekommen nach langer Trennung. Und doch ist die Rollenverteilung klar Als ich ihm erzähle, was ich von der Nachbarin weiß, lacht er über seine Ausrede mit dem Sofakissen. Ja, so sind seine Argumente, er sagt nicht, wenn er etwas nicht will, er schiebt etwas anderes vor. Hat die Suppe auf dem Herd oder sonst etwas zu tun. Nur das Schicksal interessiert so etwas nicht. Aus dem Lautsprecher berieselt uns leise die Musik. Ich glaube nicht, dass er sie wahr nimmt.

Dienstag, 25. September 2012

Gold VIII

Ich will diese Burg erreichen und sehen, wo die "Straße" endet. Noch immer bin ich im Anstieg, komme mir vor wie der Protagonist aus "Soweit die Füße tragen". Die Büsche, die ich sehe, sind nicht organischen Ursprungs. Die Burg hat einen kleinen Laden, vielleicht gibt es dort Lebensmittel "en miniature". Der Brunnen vor dem Bahnhof enthielt ja kein Wasser, ich habe langsam Durst. Die Züge fahren nun wieder auf ihren zwei Runden. Sie durchqueren den Hügel auf dem die Burg steht, verschwinden im Tunnel und tauchen wieder auf. Eine Dampflok ohne Dampf. Über dem Tunnelausgang gibt es kein Geländer. 
Meine Mutter lachte nur, sie nahm gar nicht wahr, wie sehr mich diese Eisenbahn bewegte. Wie ich vor Anspannung zappelte, ja die Begeisterung in Krampf über ging. Der Mensch ist wichtig, mahnte mich mein Vater einmal. Ich konnte mich stets in der Sache verlieren. 
Meinen Eltern war nichts so wichtig. Weder Obstbäume mit Garten noch ein Haus mit Veranda. Sie wohnten lieber sozial. Die Wohnung meiner Eltern sah so aus, wie sie einmal eingerichtet worden war. Außer einer neuen Tapete, die ab und zu akkurat tapeziert wurde, waren Veränderungen tabu. Keine neuen Bilder, keine neuen Möbel. Später auch keine neues Auto mehr und keine Reisen irgend wohin. Das Leben platt wie eine Eisenbahnplatte. 
Jeden Morgen ertönt eine Stimme aus dem Lautsprecher: der IC nach Stralsund fährt von Gleis ... ab. Es gelingt mir nicht, mich so schnell zu entfernen, dass ich das nicht mehr hören muss. Gern würde ich in einen der bereit gestellten Züge steigen. Stattdessen muss ich in Hausfluren herum laufen, die nach Vergänglichkeit riechen und dennoch so unvermeidbar sind. Gerade noch sehe ich das Kraftwerk mit seinen blauen Lichtern vor dem orangefarbenen Himmel, schon bin ich im schwarzweißgrauen Linoleumtal.
Er spricht sehr schlecht, kann sich jedoch, zumindest nach rechts bewegen. Er greift selbständig, auch wenn er damit etwas Mühe hat. Seine Finger und Hände sind mit blauen Flecken übersät. Er wollte weg, aber es ging nicht mehr, das Einzige, was ihm blieb, war eine Sanitäterin, der er sagte, er wolle in das Stadtkrankenhaus. Wir machen das schon, sagte sie. Die war nett. Die Passanten, das Auto, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Ich spreche mit ihm darüber, dass ich nun in die Wohnung gehe, um ein paar Sachen zu holen, versuche zu klären, was gebraucht wird.
Die Sucherei nach dem Schlüssel der Wohnung geht los. Ich frage den Pfleger, ob ich überhaupt in die Wohnung darf. Na sicher, sagt der, Sie sind doch der Sohn. Der Schlüssel soll bei der Nachbarin sein, ist es aber nicht. Die Sanitäter haben ihn an sich genommen und wir finden ihn in einem blauen Müllsack zusammen mit der Kleidung, die er an dem Tag an hatte. Auch sein Portemonnaie ist da zusammen mit der Krankenversicherungskarte. Wir fahren wieder in die Wohnung zurück, schaffen es aber nicht mehr ins Krankenhaus, es wird dunkel. Wir stellen schnell fest, Vater ist nicht für einen Krankenhausaufenthalt gerüstet. Wir werden was kaufen müssen.

Auf seinem Kleiderschrank liegt ein schwarzer Koffer. Ich wage es nicht, den auf zu machen.

Ich soll seine schwarze Lederjacke mit bringen und die graue Hose. Als wolle er sich fein machen für den letzten Ausgang. Weiß er nicht, dass das nichts mehr wird?
Die Sonne scheint, sagt er, das Wetter ist gut. Eine Tür schließt sich.