Samstag, 17. März 2012

1999 - I

Schwester

Die tiefgründige Schwester der Melancholie legte sich um sein Herz
wie eine leichte, wärmende Decke.
Sie schützte ihn vor der Hektik einer sinnlosen Zeit.
Seine Sicht der Dinge änderte sich in der Geborgenheit eines Verlustes.
Er lernte es, sich damit abzufinden.
Schwermütige Zufriedenheit löste seine kleinen Launen ab,
ohne den Unruhezustand seiner Seele zu verdecken.
So gedachte er still und stets ohne das Aufleben von Bitternis.
Gefragt nach den Empfindungen, fand er stets keine Antwort,
die es würdig wäre, gegeben zu werden.
Stets kehrte er in den Mantel der Trauer zurück.
Etwas war zu Ende, aber was ist das Ende ?

Freitag, 16. März 2012

Vollzug

"Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter
dir, wie der Winter, der eben geht."
Dieses Zitat aus einem Rilke-Gedicht findet sich auf der Homepage eines letzte Woche Verstorbenen, der zwei Stunden vor seinem Tod diese Seite noch aktualisiert hat.
So hat es auch mein längst verstorbener Vater stets gehalten, wenn er den Zeitpunkt des Abschieds bestimmen wollte, er gab mir die Hand und den Satz mit "Mach' Dich dünne."


Aber es gibt aus eben jenem Gedicht noch eine weitere Passage:
"Sei - und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,
den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,
daß du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal."
Es ist wahr, der Tod ist des Lebens Antriebsquelle, er gehört dazu, auch wenn er
so plötzlich auf den Plan tritt wie im obigen Fall.


Du merkst es nicht, es ist vorbei,
die lebenslange Leiderei.
Unbegreiflich nur für die Lebenden..

Donnerstag, 15. März 2012

1998 - IX

Heiligabend

Stille Nacht, Heilige Nacht,
nur der Tod einsam wacht,
Einst wurde am Heiligabend ein Kind geboren,
ich habe am Heiligabend die Mutter verloren,
nichts ist auf dieser Welt von Dauer,
Gevatter Tod liegt auf der Lauer,
in stiller, hoch heiliger Nacht,
hat er sie auf den Weg gebracht.
Stille Nacht, Heilige Nacht,
nur der Tod hat einsam Macht.

Mittwoch, 14. März 2012

1998 - VIII

Ein kleines Lied

In mir spielte einst ein kleines Lied,
Armeen von Bildern brachten mich dazu,
es nicht mehr zu hören.
Die Zahlenkolonnen marschieren in wirrer Ordnung
und tertrampeln die Noten im Takt eines ekstatischen Hammers.
Sie nisten in meinem Gehirn und bringen es dazu,
wie ein Computer zu reagieren.
Einst kannte ich Menschen und litt.
Nun beherrsche ich den Zustand und fühle mich leidlos.
Ich trinke kein fremdes Bier (aphoristische Anlehnung)
und singe niemandes Lied.
Aber wo ist mein kleines Lied ?
Gefühlsschwankungen formieren sich in Aktienkursen.
Tabellarisch vermittelt das Chaos auf dem Papier ein Gefühl der Ordnung.
Kurvenreich so manche Darstellung,
aber was bewegt sich eigentlich ?
Warum nutze ich den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung,
ich brauche doch auch keine Noten.
Stehe auf und schreibe
mir diese Welt vom Leibe.
Blaumänner sollen scheiden,
graue Anzüge, mag sie nicht leiden.
Zeige Euch meine Welt,
auch, wenn sie nicht gefällt.
Mir egal, wenn Ihr spottet
und lieber alltagstrottet.
So einsam kann ich garnicht sein,
das ich da bin, nur zum Schein.
In mir spielt dieses kleine Lied,
wer es nicht hören kann, der flieht.

Dienstag, 13. März 2012

1998 - VII

Zeit ?

Dem Fleißigen läuft die Zeit davon,
der Faule langweilt sich, weil er sie hat.

Montag, 12. März 2012

1998 - VI

Schall und Hauch

Mit dem Rauch der Zigarette
zieht sie die Welt ein, die nette.
Wozu die Wohnung noch verlassen,
die Menschen draußen will sie verpassen.
Sie sieht alles im TV
und weiß daher ganz genau,
die Welt, die ist, so wie sie ist,
nicht die ihre, zuviel Mist.
Sie will nur das an sich ran lassen,
was ihr gefällt, gut anzufassen,
der Glimmstengel und der Wein,
darauf geht sie zu gern ein.
Sie mag ihr eigenes Erleben
und davon viel, ein ganzes Beben.
Sie ist wirklich gut informiert,
liest Zeitung und telefoniert.
Sich wirklich etwas anzusehen,
wie schrecklich, schnell, noch Eine drehen.
Sie saugt den Hauch der Welt hinein,
hört sich nicht mehr und sagt nie: Nein !
Sie ist schon lieb, doch leider Gottes,
verpasst sie das Ende, genug des Spottes.
Manchmal weißt Du mehr in der Ferne,
die Nähe hätte sie wohl gerne.
Doch mit eigenen Bedingungen,
ich glaube, ich kenne da die Regelungen.
Trinke den Wein des edlen Spenders,
die Seele gegeben, in die Hand des Pfänders.

Sonntag, 11. März 2012

1998 - V

Goldener Oktober

Du sitzt im Pullover, die Blätter, sie fallen,
beschrieben kaum, Du willst Dich reinkrallen.
Schien eben noch die Sommersonne,
rennt das Leben mit großer Wonne
dem Ende aller Zahlen zu,
kommst Du dabei wirklich zur Ruh' ?
Bilanz zu ziehen fällt Dir nicht schwer,
da war nichts, nur sehr viel Verkehr.
Doch eins ist klar, Du hast es geschafft,
wieder mal nur mit eigener Kraft.
Gibt es einen Lohn in irgendeinem Reich ?
Nein, nur die Blätter fallen golden gleich.
Du darfst durch einen Herbstwald laufen,
wer will sich da noch etwas kaufen ?
Der Boden schwingt unter Deinem Schritte,
Du bist allein, des Lebens Mitte.