Samstag, 25. Februar 2012

1980 - XLIII

Schlag-Zeilen

Schlagzeilen tropfen in die Köpfe der Menschen,
gebrauchte Wörter nehmen sie in den Mund,
glauben ihre nicht eigene Meinung,
erklären Unverstandenes weiter,
wälzen sich im eigenen Dung
und kommen doch immer auf den Hund.

Freitag, 24. Februar 2012

1980 - XLII

Wo bleibt die Erkenntnis ?

Die Existenz des Lebens zu beweisen, das ist eine Aufgabe, die mir müßig scheint.
Das Leben beweist sich durch sich selbst, wir suchen ein für uns gültiges Bild davon.
Als Menschen schließen wir dabei alle Empfindungen anderer Lebewesen aus.
Unsere Auffassung der Dinge wird bestimmt von der Fähigkeit unserer Sinne, etwas aufzunehmen und von der unterschiedlichen Persönlichkeit,
die uns eine Subjektivität gibt, die mal als Objektivität, mal als Individualismus verstanden wird.
Zwar ist der Mensch als Einzelwesen einmalig und unterscheidet sich daher von all seinen Mitmenschen, doch bin ich der festen Überzeugung, daß auch er eine Variante eines immer gleichen Spiels ist und das es eine Einheit gibt, die sich aus der Unendlichkeit der Möglichkeiten ergibt, die gleichsam doch eine Begrenzung darstellt.
Der Mensch als Vielheit einer größeren Einheit, das ist die Aufhebung von Gegensätzen, die dennoch bestehen bleiben.

Trotz der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten menschlichen Lebens zwingen uns objektive biologische Notwendigkeiten wie das Atmen, Essen, Trinken, Schlafen und letztlich Sterben in eine Art der Lebenserhaltung und Fortpflanzung, die uns wiederum zwingt, uns nicht nur gleich zu verhalten, sondern auch darüber hinaus einen gemeinsamen menschlichen Konsens zu schaffen, der um so wichtiger ist, je mehr Individuen existieren.
Gerade daran scheitern wir allerdings: der Konsens, der sich bei den Tieren und Pflanzen zu perfekten Ökosystemen ausgebildet hat, will uns trotz überlegener geistiger Fähigkeiten nicht gelingen. Uns fehlt der perfekte Plan der Pflanzen und der Instinkt der Tiere.
Wie stelle ich mir einen Vogel vor, der "bewußt" zu fliegen versucht ?
Der Ersatz der übergeordneten natürlichen Steuerungsmittel durch den selbständigen Verstand mißlingt und das beweist, daß unser Individualismus den Untergang bedeutet und gleichzeitig, daß unsere Erkenntnis, selbst wenn sie zutrifft, ohnmächtig ist und bestenfalls als Vorstufe zum Tod und letzten Endes damit zur Einheit gesehen werden muß.
Mit Erkenntnis ist damit im weitesten Sinn Vernunft gemeint als Fähigkeit, Dinge zu beurteilen und innerhalb eines Gedanken- und Wertsystems in Beziehung zueinander zu setzen, einen eigenen Standpunkt zu finden.

Freilich ist es möglich, die Erkenntnisse zu akkumulieren und immer weiter zu ergänzen, sodaß eine höhere menschliche Objektivität erzielt wird, d. h. Erkenntnisse werden nachvollziehbarer.
Die Wissenschaft, im Gegensatz zum vorgegebenen Bauplan der Natur resp. Schöpfung, kann sich nie aus ihrem menschlichen Rahmen lösen, d.h. eine objektive Realität ist nicht herstellbar.
Damit ergibt sich die Frage: wozu also die Mühe, etwas erkennen zu wollen ?
Gerade der menschliche Rahmen gibt uns die Möglichkeit, irgendwo aufzubauen, hätten wir ihn nicht, so gäbe es nichts zu erkennen.
Die Begrenzung unserer Sinne heißt das Leben und die Erfahrung.
Der Mensch ist Ausdruck des Wunsches nach Unterscheidung und scheinbarer Trennung, obwohl er immer Teil des Mikro- und Makrokosmos bleibt.
Er besteht in ihm und aus ihm.
Und obwohl wir begrenzt sind, werden wir unsere Grenzen nie erkennen.
Weder die Weite des Universums, noch die kleinsten Teilchen werden wir sehen.
Nur in uns selbst finden wir philosophische Wahrheit: das Prinzip der scheinbaren Gegensätze. Nichts ist von Bestand und doch besteht es.
Auch die letzte Begrenzung unseres Daseins können wir als endlich und zugleich unendlich begreifen.
Wie können wir sterben, wenn wir eigentlich gar nicht leben ?

Donnerstag, 23. Februar 2012

1980 - XLI

Nirgendwo

Wenn das Elend an den Wänden hoch kriecht
und die Suche nach dem Ausweg beginnt,
dann weiß sich das Leben bemerkbar zu machen,
drückt sich aus im Aufschrei der Seele,
die ihre jämmerliche Verkleidung nicht verlieren will
und doch die Angst beiseite schieben muß,
wie dunkle Rauchschwaden,
um Berge zu besteigen
und finstere Abgründe zu durchmessen.
Nirgends lebt es sich schlechter als im Nirgendwo.

Dienstag, 21. Februar 2012

1980 - XL

Apocalypse now

Jäger der Apokalypse,
die Hunde hetzen Dich
in immer neue Kammern des Labyrinths,
doch keine Tür, die Du hinter Dir verschließt, schützt Dich.
Was Du anfaßt, löst sich zu Staub auf.
Du erhälst nichts und Du wirst nicht erhalten,
wen willst Du vernichten ?
Gegen wen Dich verteidigen ?
Der Untergang ist einzig und allein in Dir
und die Kraft heißt:
damit leben.

Montag, 20. Februar 2012

1980 - XXXIX

Bilanz

Den Nebel beiseite wischend, erscheinen die Sterne als
Punkte des Universums so leuchtend klar, wie die Augen es können, wenn sie fixiert betrachten.
Jede Bewegung bedeutet Verwischung und muß daher zum Stillstand gebracht werden, sonst wäre sie keine.
Den Status Quo der Nichtbewegung erreicht jeder Energiefluß nach gewisser Dauer.
Mag sein, daß alles einem übergeordneten Prozeß dient, die Bewegung selbst scheint nur den Selbstzweck zu kennen.
Das Denken als Reflektion der Aktion ist sekundär für den Ablauf, es sei denn, den Einzelaktionen wohnt ein übergeordneter Gedanke inne, den wir nicht kennen,
und unser eigenes Denken wirkt als Überordnung für zahllose Kleinwelten.
Wir, ob Herren oder Diener, trinken unser Glas aus, mal schnell, mal langsam,
und welche Form der Wesenheit wir danach erreichen, weiß keiner von uns.
Als Ebene des Lebens verlassen wir den Körper, der quasi abgeschaltet wird und den Positivzustand verändert.
Gibt es einen gigantischen Ausgleich zwischen Sein und Nichtsein ? Nichtsein als modifizierter Zustand des Seins ? Göttliche Fragen, über die zu denken unsinnig scheint und doch stecken wir mitten drin.
Die Suche nach Zufriedenheit, die in unserem Zustand nie erreicht wird, weist sie nicht hin auf das Ende ?
Der Weg ist das Leben, aber ohne Leben gäbe es den Weg nicht.
Eine Einheit des Ganzen läßt sich erahnen.
Über den Namen dafür streiten wir noch immer.

Sonntag, 19. Februar 2012

1980 - XXXVIII

Heuchelbach

Es klappert die Mühle am Heuchelbach, sie wird es immer tun,
denn die Heuchelei ist nichts weiter als eine gigantische Vergewaltigung der Idee. Forscht man einmal nach, so stellt sich heraus, das jeder religiöse Mensch,
und religiös ist hier als Charaktereigenschaft gemeint,
gut ist, weil er dem Leben einen Sinn abgewonnen hat
und ihm somit positiv gegenüber steht.

Nun gibt es einige, die meinen, das Kind müsse einen Namen bekommen.
Also die Tatsache, daß ihre innere Überzeugung ihnen beim Leben hilft,
die soll nun verbreitet werden.
Das Ganze geschieht natürlich nicht aus völlig altruistischen Motiven.
Ein Kind, das schwimmen gelernt hat, prahlt auch gern bei seinen Altersgenossen, die nicht schwimmen können.
Der Unterschied ist nur, daß nun der Glaube an die eigene Überlegenheit den Namen Gott, Gottes Sohn und Heiliger Geist (was immer das sein mag) trägt
und die Ungläubigen (wahrscheinlich vor Staunen) mit einiger Nachhilfe
(früher mit primitiver, aber wirkungsvoller, Gewalt, heute durch Agitation) zu Ihrem Glück gezwungen werden sollen.

Wie wird aus einer an sich guten Kraft eine schlechte ?
Ganz einfach: der Zweck heiligt die Mittel.
Mit diesem Satz läßt sich alles rechtfertigen, sofern der Zweck, der christliche Moralkomplex, erst einmal selbst geheiligt ist.
Das besorgt die Kirche, die Neigung, sich im Zweifelsfall nicht auf sich selbst zu verlassen,
sondern imaginäre Stützen zu suchen, treibt ihr immer wieder seltsame Schafe zu.

Ein eigenes, urmenschliches, Gewächs ist da entstanden, das nichts mehr mit Urahnungen und Gotteserfahrungen zu tun hat.
Wie einem Krebsgeschwür wohnt allen menschlichen Institutionen inne, daß sie Eigenleben entwickeln.,
wachsen ohne Sinn und schließlich ihre Grundlagen vernichten.
Wenn Gott wirklich überall ist, dann ist er in Jedem, wozu also noch Kirchen bauen ?
Wie soll eine Kraft übertragen werden, die Andere nicht spüren ?
Eine reine Machtfrage entscheidet, was die Kinder glauben dürfen, was nicht.
Falsche Religiosität wird an den Tag gelegt, menschliche Beziehungen zerstört, bevor sie angefangen haben.
Haß gegen Juden, Araber, ist das Gott ?
Was ist mit Allah ? Dem Nirwana ?
Der Teufel trägt das Kruzifix des Gottgötzen
und der Geist wendet sich mit Grausen.