Mittwoch, 22. Februar 2023

Was, wenn Rechtsradikale mitmarschieren?

 Mit dieser Frage profilierte sich der Spiegel im Bemühen die u.a. von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierte Friedenskundgebung am 25.2.2023 in Berlin zu diskreditieren. Als ob nicht schon auf ganz anderen Demos politische Richtungen jedweder Couleur vertreten gewesen wären. Und um dem kurzen historischen Gedächtnis der Journaille nachzuhelfen. Nach dem Krieg saßen in allen etablierten politischen Parteien echte Nazis, die teilweise sogar Kriegsverbrechen begangen hatten. Kam deswegen das politische Leben zum Erliegen? Und sind Ideen und Vorschläge deswegen falsch, weil sie auch von AfD-Anhängern geteilt werden. Was sich schon in den unteren Ebenen der Politik abzeichnet, das ist die Ausgrenzung einer ganzen Partei und ihrer Wähler/-innen. Das treiben die Presse und die öffentlich-rechtlichen Medien nicht erst seit Corona auf die Spitze. Große Teile der Bevölkerung werden somit Labels wie "rechtsradikal" oder "Querdenker!" diskriminiert. Das ist eine gefährliche und spaltende Entwicklung des Restes von demokratischen Denken, das wir einmal hatten.

Gerade ein Organ wie der Spiegel war früher einmal gefürchtet für seine investigativen Nachforschungen, die den Mächtigen Kopfschmerzen bereiten konnten. Nichts davon ist übrig. Viele Köpfe, eine Meinung, so könnte man die Medienlandschaft beschreiben. Die Ukraine muss gewinnen und von uns mit Waffen versorgt werden, bis Putin am Boden liegt. Zwar sagen fast alle Militärexperten, dass dies nicht gelungen kann, aber was soll's. Man hat sich bereits bei Corona über missliebige Meinungen hinweg gesetzt. Wer nicht ganz zu Unrecht Angst vor einem Atomkrieg hat, der wird mit unsinnigsten Argumenten abgespeist. Hat nicht auch die Atommacht USA in Afghanistan und Vietnam verloren? Dabei wird dann vergessen, dass die USA wenigstens ansatzweise demokratisch sind und das sie einen gewählten Präsidenten haben, der es deutlich schwerer haben wird, einen Einsatz von Atomwaffen anzuordnen. Zudem: hat Putin uns den Krieg erklärt oder tun wir es nicht laufend? Gibt es nur russische Propaganda oder kommen unsere Informationen vom Krieg nicht ausschließlich aus der Ukraine? Welche Mitschuld trägt eigentlich die Ukraine? Welche die USA? Fragen, die man stellen könnte, lebte man in einer Demokratie. Wer für Frieden eintritt, der wird stattdessen als "naiv und zynisch" bezeichnet. Ich finde, das Label passt besser zur Gegenseite, die einen Krieg befürwortet, der ohne Verhandlungen kein gutes Ende finden kann. Sehenden Auges soll das Morden und Sterben aus politischen Gründen fortgeführt werden. 

Montag, 20. Februar 2023

Karl Kautsky – Wie der Weltkrieg entstand

 Dieses Buch ist sehr erhellend und enthält durchaus historisch interessante Aspekte. Die Regierung der jungen deutschen Republik war bemüht, die Kriegsschuld des Deutschen Reichs am Ausbruch des ersten Weltkriegs möglichst zu widerlegen, vor allem im Vorfeld der Friedensverhandlungen in Versailles. Kautsky war beauftragt, die vorhandenen Dokumente aus dem Jahr 1914 zu sichten, auch um das Deutsche Reich in möglichst günstigem Licht erscheinen zu lassen.

Das Gegenteil ließ sich aber aus dem vorhandenen Aktenmaterial herauslesen. Das Attentat von Sarajewo gilt allgemein als Grund für den Ausbruch des Krieges, sozusagen ein halbwegs gerechtfertigtes Motiv für die K.u.K-Monarchie in deren Gefolge das Deutsche Reich als Bündnispartner in den Krieg mit einzutreten hatte.  

Historisch ist bis heute nicht erwiesen, dass die serbische Regierung mit dem Attentat überhaupt etwas zu tun hatte. Österreich-Ungarn war jedoch bestrebt, auf dem Balkan seine Macht zu sichern. Man stellte also wenige Wochen nach dem Attentat an Serbien ein scharfes Ultimatum, dass innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden musste. Zuvor hatte man sich die Unterstützung des Deutschen Reichs gesichert. Kaiser Wilhelm der II. hatte es nicht nur versäumt, sich vertraglich mit den europäischen Großmächten gut zu stellen, er war auch ein ausgesprochener Kriegstreiber, der mögliche Verhandlungspartner schon mal als Schufte bezeichnete und über das serbische Volk als Gesindel urteilte. Dies geht aus den Randnotizen des Kaisers hervor, mit denen er erhaltene Nachrichten kommentierte. Die Wiener Monarchie konnte sich seiner Unterstützung so anfangs sehr sehr sicher sein.

Doch Serbien akzeptierte das gestellte Ultimatum auch zu seiner Überraschung. Nun mussten neue Gründe für einen Krieg gefunden werden, in dem zuerst Frankreich und dann Russland besiegt werden sollten. Von England erwartete man Neutralität und von Italien aktive Unterstützung, schließlich befand man sich mit der K.u.K.-Monarchie und dem Königreich Italien in einem Dreierbund. Doch beide Annahmen erwiesen sich als falsch. Es war eine schwere Aufgabe, selbst den Überraschten zu spielen, was Österreichs Vorgehen anbelangte und zudem noch als Friedensengel aufzutreten wo man doch den Krieg wollte. Am 29. Juli 1914 war das Spiel bereits aus und so beschreibt Karl Kautsky die Lage:


Das Deutsche Reich versuchte nun in Erkenntnis der schwierigen militärischen Lage wenigstens die islamische Welt als Unterstützer zu mobilisieren und unterstützte zudem bekanntermaßen die russische Revolution. Nebenbei verhalf man auch noch Polen zur Wiederauferstehung und forderte die Mohammedaner zum Heiligen Krieg auf. 
In völliger Unkenntnis der Realitäten.. Karl Kautsky zitiert dazu Bernhard Shaw:


Wir Deutschen sollten unsere Lektion aus der Geschichte gelernt haben. Doch heutzutage sind wir nicht mehr selbst die Kriegstreiber, sondern wir werden getrieben. 2023 unterstützen wir einen Stellvertreterkrieg, in dem Russland gegen die Ukraine kämpft, mit Waffen, obwohl wir an einem derartigen Dauerkonflikt mit ungewissen Ausgang keinerlei nationales Interesse haben können. Doch schon wie damals versucht die Obrigkeit eine positive Stimmung für den Krieg zu erzeugen. Doch im Unterschied zu damals wurden Kriege im Wesentlichen an der Front entschieden und nicht im Hinterland, wo Tag für Tag unschuldige Zivilisten sterben.