Freitag, 17. Juni 2011

1990 - I

Eben noch mit dem Ruder in klares Kanalwasser eintauschend, das silbrige Band vor mir sehend, blicke ich zum Himmel. Alles schaut nach oben. Ein Getöse wie bei einem Jet, breite Kondensstreifen kreisen, ohne das ein Objekt zu sehen wäre. Fällt etwas auf die Erde? Die Wolken ziehen rückwärts, wo eben noch blauer Himmel war, das Ende? Bloß nicht nach oben schauen, die Menschen irren über die Düsseldorfer Straße. Ich halte einen runden Streuselkuchen in der Hand, ein Mädchen fragt, ob das eine Pizza ist. Im Zoogeschäft sehe ich ein Aquarium. Fische schwimmen an der Oberfläche, ihr Körper halb aus dem Wasser. Ich lege ein Glas oben auf das Becken, habe Angst, dass sie herausspringen. Zwei Schwertträger nahmen Stellung ein, um sich zu bekämpfen. Ein größerer will ein kleines Männchen vertreiben, stellt die Flossen hoch und biegt sich. Das kleinere nimmt Abwehrhaltung ein und verschwindet in den Wasserpflanzen. Ich haste weiter, alles ist irgendwie von unruhiger Ruhe erfüllt. Der Himmel ist blau und gelbe Wolken ziehen. Trotzdem keine heitere Stimmung. Im Schaufenster sehe ich passbildartige Fotos von tätowierten Ärschen. –

Donnerstag, 16. Juni 2011

1989 - VII

Fahrt durch endlos lange Straßen, eine Frau rennt einen Mann um. Sprachliche Wurfgeschosse, die keiner fängt, fliegen umher in Weihnachtspapier gewickelt und keiner packt sie aus. Im Bus und in der U-Bahn herrscht starrende Langeweile, Selbstbehauptung und –beherrschung. Selbst aufgestoßene Türen bringen nur den Kontakt zu mit Geldscheinen verstopften Mäulern. Macht hoch die Tür, aber den Geldbeutel schön weit. Inmitten des menschlichen Nihilismusgetöses faselt ein Vorsitzender etwas von Vereinigung und die Menge ruft: Helmut, rette uns. Das ganze Leben gearbeitet.. sächselt es uns entgegen. Mein Aktenkoffer für morgen ist gepackt, die Minuten gezählt, bis der Deckel auf mir nieder geht. –
Gambacher Kreuz und Einmündung in die Menge der roten Heckleuchten, die sich einer Schlange gleich durch den Taunus windet. Diese Lichter sind Belastung und Wärme zugleich.

Mittwoch, 15. Juni 2011

1989 - VI

Ich grabe und hebe Erde aus. Die Erde ist mit feinen Wurzeln durchsetzt. Als ich einen Teil der Erde abgetragen habe, merke ich, dass es sich um die Form eines Menschen handelt. Trotzdem empfinde ich kein Entsetzen und keine Angst, grabe weiter bzw. nehme mit bloßen Händen Zugriff und löse die Erdklumpen mit den feinen Verwurzelungen.

Dienstag, 14. Juni 2011

1989 - V

Film ab. Der Zug rollt gen Frankfurt. Es ist dunkel, sodass ich nicht viel sehe. Mein Vater hat mich zum Bahnhof gebracht, wir standen eine Viertelstunde in der Kälte. Er sieht immer noch gut aus. Er hat Mühe, die Fassung zu wahren. Er würde es gut finden, wenn ich bliebe, aber ich kann mich nicht durchringen. Zuviel Kraft kosten mich die Stunden bei meinen Eltern, vor allem der Zustand meiner Mutter. Ich möchte bleiben und doch nicht. Ich weiß, dass in Frankfurt jemand wartet und das, was ich mein Zuhause nenne. Ich sehe den Vollmond aus dem Zug. Was für eine wundervolle Welt! –

Montag, 13. Juni 2011

1989 - IV

Während eine nervige Fliege über meine Füße krabbelt, versuche ich meine Gedanken zu ordnen. Wenn Jesus heute am Kreuz hinge und fragen würde: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen? Was könnte er antworten, etwa: Weil ich solche dürren Jammerlappen wie Dich nicht leiden kann. Die dickbäuchigen, zufriedenen, mit ihren kleinen Sorgen beschäftigten, Menschen sind mir lieber. Die ihren Weg klaglos gehen, alles akzeptieren, die schweigende Mehrheit, die Du zu kritisieren wagst, die dafür sorgen, dass alles weitergeht und große Änderungen, die ich nicht wünsche, auch nicht statt finden. Die Menschen wollen kein Seelenheil, keine reine Lehre. Sie wollen Farbfernseher, Videorecorder, Autos etc., wie Du sehen würdest, wenn Du 2000 Jahre Zeit hättest. –

Samstag, 11. Juni 2011

1989 - III

Ein dunkler, bewölkter Tag am Strand. Mein Blick geht über einen subtropischen Garten mit orangefarbenen Blüten, in die sich andere grelle Farben mischen. Ich sehe über den Wolken zwei Flugzeuge, es sind aber überall Flugzeugformationen in der Luft. Das eine fliegt über das andere, so scheint es wenigstens. Dann ein Pfeifen, irgendetwas fliegt ins Wasser. Später fährt ein Motorradfahrer mit einem Anhänger vorbei. Ob da ein Mensch drauf liegt? In dem Haus sind wir, weil wir vor einem riesigen Affen geflohen sind. Wir haben uns verbarrikadiert, entdecken jedoch, dass wir einen einen kleinen Affen schon im Haus haben. Das beruhigt.

Freitag, 10. Juni 2011

1989 - II

Heute nacht von Gefangenen bei Khomeini geträumt. Mit mehreren Anderen sollten wir gekidnappte Personen im Iran besuchen. Ich fuhr mit dem Auto in ein arabisches Land, von da aus weiter. Ich fand einen Palast vor, der offen war für jeden Zugang, wo aber eine Art Fremdenführer uns ständig in den Raum mit den Schwimmbecken drängte. Die Gefangenen mussten mit Tauchflaschen ausgestattet im Wasser mit Haien zusammen Bahnen schwimmen und durften nicht auftauchen. Die Fische waren eher klein, aber ziemlich zahlreich. Einige der Gefangenen durften Auskunft geben und auftauchen. Ich entsinne mich an eine blonde Frau, offenbar Holländerin, die barbusig war, deren Brüste beim Auftauchen zu sehen waren. Schließlich sollten wir alle festgehalten werden. Wir versuchten, zu entkommen, verrannten uns aber in einem engen Raum, aus dem wir durch ein Fenster herausschauen konnten. Das Dunkelblau der Wandfarbe und die ockergelbe bis schmutzig braune Patina der Wände erinnere ich gut. –
Heute morgen von blauer Urkunde geträumt. Ich hatte da plötzlich einen anderen Namen. Mengheti oder so ähnlich für Mensch oder Mohammed. –