der Mensch ist nicht mehr da, dessen Stimme nicht immer zum richtigen Zeitpunkt zu hören war. Wie willst Du ihm noch gratulieren? Eine Gedenkanzeige schalten, einen Blumenstrauß aufs Grab legen,
am Ende selbst zum Grab gehen?
Wo sollen wir denn sein? fragte mich dieser Mensch einmal, als ich ihn zuletzt zuhause besuchte und vorher fragte, ob er auch da sei. Meine Frage erschien damals so banal unsinnig und ist es bis heute geblieben, obwohl doch die Antwort so anders ausfallen müsste. Es gibt niemanden mehr, der sich anstelle dieses Menschen über Blumen freut.
Ein Stückchen Erde vielleicht irgendwann mit einem Stein drauf.
Das Gefühl der Verlorenheit stellt sich da schnell ein.
Irgendwo gibt es doch eine Verletzlichkeit, die den Automatismus unserer Zeit bremst. Der Tod kann übersehen werden, aber nicht ignoriert.
Das Kriegsende nach 50 Jahren als Tag der „Befreiung“ in Deutschland feiern zu wollen, das ist eine Verarschung des Auslands. Schließlich ist das „Großdeutsche Reich“ mindestens mit einem Drittel Überzeugungstätern, einem weiteren Drittel Mitläufern und höchstens mit einem Drittel an kritisch eingestellten Menschen angetreten, um die Welt zu erobern. Nur die völlige militärische Niederlage bescherte einigen ein Quentchen Einsicht. Aber letztendlich ist Deutschland eben nur militärisch besiegt worden. Rechthaberei, Selbstüberschätzung, Moralismus und Intoleranz haben überlebt. Schauen wir z.B. den Straßenverkehr an und wir wissen: es ist Krieg. Den Tag der „Befreiung“ muss sich jeder selbst erarbeiten. Wir sollten froh sein, dass die politische Lage in Europa nicht mehr so labil ist wie zu Weimarer Zeiten. –
Die Frankfurter Neue Presse druckte den Leserbrief mit dem Hinweis, zum Thema gäbe es schon so viele Leserbriefe, nicht ab. –