Mittwoch, 13. Juni 2012

2002 - I

Vorsicht Beratung!

Ein Meer von blauen, grauen und schwarzen Anzügen wogte unter den diskutierenden Köpfen, ab und zu von kaum andersfarbigen Damenkostümen gesprenkelt. Seriosität im Auftreten ist das Metier der Banker. Sie mögen es, in der Kantine über ihre Arbeit zu sprechen und organisieren sich ständig neu. Ihrer Verantwortung ist Ihnen wohl bewusst, schließlich gehen sie mit dem Geld anderer Leute um. Deswegen empfehlen sie dem privaten Kleinanleger gern ihre Hausprodukte. Immer auf der sicheren Seite bleiben heißt im Zweifelsfall der gut gemeinte Rat für den unsicheren Anleger. Natürlich wird immer alles genau analysiert, der Markt beobachtet und kein Cent verschenkt.
Wer hat was davon?
Um all das professionell abzuwickeln, werden die Mitarbeiter geschult, auch psychologisch. Wer in die Führungseebene aufsteigen will, muss lernen, sich an Felswänden abzuseilen. Schulungsabteilungen und Seminarveranstalter sorgen für ein qualifiziertes Coaching. Das der Banker ab und zu das Deutsch verlernt, sei ihm bei soviel vermittelten Kenntnissen verziehen.
Er muß es vermeiden, altmodisch zu wirken und darf sich nicht gegen die englische Sprache wehren. Im Gegenteil, es ist erforderlich, ab einer gewissen Ebene neben dem angepassten Verhalten auch die richtigen Worte zu finden. So versteht es sich in Dialekten gut zu leben. Das erleichtert es auch, stets die richtigen Gespächspartner zu finden und nicht selbst outgesourct zu werden. Im internen Kreis diskutiert es sich locker und es is klar, das es sich bei einer Zigarette und einem Kaffee besser plaudert. Schließlich muss nicht alles aus Amerika übernommen werden. Weder die strikten Rauchverbote, noch die lockere Freitagskleidung sprechen gerade den deutschen Banker besonders an. Freie Fahrt für freie Banker könnte da eher als das Motto gelten, zumindest außerhalb der Arbeit.
"Der Banker" findet eben vieles interessant und witzig, wenn es nicht gerade die Arbeit ist. Und durchsetzen kann er sich nicht nur im Job. Ein Banker hält immer (seinen?) Kurs. Mögen sich andere um Systematik bemühen, seine Sache ist dies nicht, er handelt lieber. Time is Money.

Dienstag, 12. Juni 2012

The Man I used to be

Ein kleiner Motor muss höher drehen als ein großer, um eine vergleichbare Leistung abzurufen. So ähnlich verhält es sich mit dem Alter beim Menschen.
Was man früher leicht geschafft hat, wird zum Kraftakt. Und so entsteht das Gefühl, das man immer mehr arbeitet, obwohl man im Grunde im besten Fall das eigene gesetzte Niveau hält.
Manches allerdings fällt auch leichter. Viele Verkrampfungen des jugendlichen Daseins, die sich in der Midlife-Crisis fortsetzen mögen, entfallen mangels Energie. Die Gedanken werden statischer, die Alltagsemotionen flacher. Dafür mögen sich tiefe Gefühle weiter entwickeln.
Die Erkenntnis einer gewissen Schicksalhaftigkeit wächst. Längst ist die Rinne gegraben, in der der Lebensfluss fließt. Man mag sich eine neue graben, aber es bleibt doch eine Rinne.
Denn der sinnige Spruch, der besagt, man müsse einen Tod sterben, hat ja leider eine Wahrheit.
So lese ich weiter in meinen Aufzeichnungen und halte mir den Spiegel vor, in dem ein Gesicht auftaucht, das ich noch kenne. Mir ist klar, dass ich erst am Anfang all der Veränderung stehe.

Donnerstag, 7. Juni 2012

2001 - XX

Sansevieria trifasciata 'Laurentii'

Die Sanseverie steht auf der Fensterbank
Und denkt sich, Gott sei Dank,
bin ich kein Weihnachtsbaum,
denn ich glaube kaum,
das ich nach diesem Fest
mehr wäre als kümmerlicher Rest
in einer großen Tonne,
So stehe ich hier mit Wonne
und warte auf die Sonne.
Bald ist der Himmel blitzeblank,
die Sanseverie steht auf der Fensterbank.

Mittwoch, 6. Juni 2012

2001 - XIX

Daheim (Leserkreis)

Daheim, da brennt so ein Licht.
Daheim, da stört es mich nicht,
wenn etwas draußen ist,
was an meiner kleinen Seele frisst.
Daheim, das bleibt Daheim,
Dir schenke ich den Reim.

Dienstag, 5. Juni 2012

2001 - XVIII

D-Day

Zartes Grün an grauem Tag,
nichts ist so, wie ich es mag.
Regen statt der Herzen Klopfen
höre ich an Fenster tropfen.

Montag, 4. Juni 2012

2001 - XVII

11. September 2001

Die Hölle sei ein Fegefeuer,
sie kann auch ein Schuttberg sein,
wir haben es erlebt.
Geschichten sind zu Ende, Euer
Mitgefühl dafür zu klein,
Vergeltung wird erstrebt.
Kein Gedanke zeigt, das ein neuer
Menschensinn entsteht, so fein
die Hoffnung sich erhebt.

Sonntag, 3. Juni 2012

2001 - XVII

Greek Philosophers on the Beach

Kaffee? Schon rauscht er wie ein Wasserfall in meine Tasse.
Manchmal deckt sich das Angebot mit der Nachfrage.
Das ist nicht immer so, aber letztlich ist man zufrieden,
wenn es überhaupt ein Angebot gibt.
Die Wellen rauschen in unmittelbarer Nähe nordseemäßig heran,
nun schon den zweiten Tag in Folge und der Blick geht hinüber zu einem kleinen
Toilettenhäuschen mit weißblauem Anstrich,
das Dach ist blau, der Rest weiß.
Es steht auf einer kleinen vorgelagerten Felseninsel.
Den idyllischen Anblick zu genießen, dazu fehlt die Ruhe.
Sicher haben es die Mücken und Falter schwerer,
das kleine Häuschen zu besuchen, als unser ebenerdig gelegenes Zimmer.
Der Besuch der Toilette gleicht manchmal der Visite eines subtropischen Schmetterlingshauses.
Schwer sich vorzustellen, dass es griechische Philosophen gegeben haben soll,
die in der Badewanne so bahnbrechende Einfälle wie den Satz des Pythagoras gehabt haben sollen.
Selbst der Gott des Weines, Dionysos, müsste sich heutzutage schon in ein leeres Fass verkriechen und den Deckel von innen zu machen, um weder von den Mücken gestochen zu werden (werden Götter gestochen?),
noch die immer unmotivierter auftretenden Rufe wie "Come on, England!" zu hören.
Zwei alte Damen betrachten mich gerade wie das achte Weltwunder, weil ich auf der Terrasse sitze
und schreibe. Zur Poolbar sind es nur wenige Schritte.
Am Strand findet gerade die Neuverfilmung von "Mein Schatz und das Meer" statt.
Die wiederholt sich jeden Tag und wahrscheinlich bin ich beim abschließenden Schwenk
über die am Strand stehenden Bungalows eine, hoffentlich, nette Staffage.
Die Uraufführung dieser Filme findet sicher recht bald nach Abschluss
der Ferien vor zwangsgeladenen Gästen statt.
Der Tag soll nun bald beginnen, das heißt, Sonnenschutz auftragen.
Dann werden wir uns durch das Meer der Motorroller an irgendeinen Strand begeben.
Irgendwie erinnern mich die Geräusche der Motorroller an Moskitos im Anflug.
Aber die stinken nicht. Neue Wunden heilen schnell: Kali Méra!