Mittwoch, 4. Juli 2012

2003 - III


Laredog

Eine gewisse Wertigkeit stand flächend im Raum, zwingend war sie nicht.
Merkst Du, worauf es ankommt, in einer Zeit, wo sich die Großen um den Fleischtopf scharen, weil sie ihre Rationen nicht verringern wollen.
Die Huskies hatten sich kurz umgedreht, als sie merkten, das ihr Führer eingeschlafen war auf seinem Schlitten. Sie sahen sich an und liefen allein weiter in den Norden über endlose Schneeflächen, die glühende Sonne hinter sich lassend. Der Herr war wach geworden durch das harte Knirschen der Kufen und die Schläge des unruhigen Bodens. Nun gab er die Richtung wieder vor. Der Dialog zwischen ihnen zerbröselte wie die Charts mit ihren Unterstützungslinien. Können wir auf einen von Ihnen verzichten, wir brauchen Platz? Die Kurve geht nach unten und mit ihr die Wertigkeit. Die Zeiten sind für einen klare Erkenntnisstand und nicht für vage Worte. Der Mensch ist nicht gleich, obwohl er sich gesellt. Unselbständigkeit ist nichts wert und Selbständigkeit taugt nicht zum Leben. Der Geruch des Fleisches wird dir jetzt entzogen, in guten Tagen gönnten sie ihn dir.
Worauf kommt es in der Welt der Menschen an: auf Geld und ein paar Schlagzeilen. Das ist alles, also laufe, Hund und kämpfe nur mit deinen Artgenossen. Denn du weißt, was Fressen bedeutet: das Paradies.
Und suche keinen Schuldigen wie der Mensch. In Alaska und Sibirien verlieren die Eingeborenen ihre Sprache und ihre Kultur. Eine Wertigkeit geht zu Ende. Sie flüchtet in die Grabhäuser.
Das Leben ist wie eine Autobahn durch das ewige Eis: ohne Raststätte mit nur einer Endstation.

Bewegung

soll sehr gesund sein, behaupten die meisten Leute. Demnach müssten unsere Vorfahren vor Gesundheit nur so gestrotzt haben. Unseren Körper dagegen interessiert das nicht. Er baut Muskeln ab, die er nicht braucht. Das hört sich erst mal vernünftig an. Ihm geht es nur um das Überleben. Aber der Geist ist manchmal willig, das Fleisch schwach. Deswegen strampeln so viele Menschen in viel zu engen Hosen auf dem Rennrad herum. Sie schwitzen in Studios und stechen vergeblich ihre Stöcke in den Boden, um sich auf ein höheres Gesundheitsniveau zu begeben. Sie machen das, was man ehedem als Dauerlauf bezeichnet hat und was früher immer zum Seitenstechen führte. Das Ergbnis steht in der Realität im auffälligen Kontrast zur eigenen veröffentlichten Bilanz.
Früher war auch das Schreiben anstrengender. Es wurde ein Kohlefarbband benötigt  und die Tasten mussten geschlagen werden. Heute geht das auf dem Computer leichter und per Touchscreen erreicht es fast körperlose Dimensionen. Das macht uns sicher krank. Also besinnen wir uns zurück in die Zeit, als man noch zu Fuß zum Bäcker ging oder in eine spätere.

Montag, 2. Juli 2012

2003 - II


Irgendwann

vergesse ich im Worthagel
eure zappelnde Ignoranz
genauso wie das Lachen meiner Mutter
und den ersten Kuss,
lasse mich ein auf den weißen Blitz
und hoffe, das es nicht
die schwarze Unwissenheit ist.
Irgendwann lasse ich mich
nicht mehr von euch in bequemen
Limousinen jagen,
meine Zeit ertragen und
den Wolkenkratzern beim
Wachsen zu sehen, das Lied
hören und daran denken,
das wäre es, irgendwann.

Sonntag, 1. Juli 2012

2003 - I

Die Liebe
ist eine
gutbürgerliche
Hure des
Geldes, die Macht
der treue Diener desselben.

Samstag, 30. Juni 2012

2002 - XVI

Watt?

Im geistigen Nebeldunst tritt es hervor. Das Watt: im Schlick picken die Möwen nach Würmern. Leere Muscheln liegen am Strand, Quallen sind tot. In einzelnen Prielen werden Fische mit Netzen gefangen. Du brauchst Gummistiefel, um da herum zu laufen. Das Watt reicht bis zum Horizont oder manchmal eben nur bis zum Meer. Bald wird eine Gedankenflut zurückkommen, mein Watt überspülen und an den Deich drücken. Ich muss den Schutz dessen mit Organizern und Laptops und am PC vornehmen. Manchmal, wenn das Wasser so hochsteigt, ziehe ich
mich auf meine Hallig zurück, schaue aus dem Fenster und es ist wieder still.

Freitag, 29. Juni 2012

2002 - XV

Hundestrand

Taxe bezahlen auch ohne Kur,
Deichsperrung in der Natur,
Hundestrand statt Wüstensand,
grünes Land: die Waterkant.
Kandis sprudelt unter Tee,
Watt versteckt die rauhe See.
Halbpension ist keine Kür,
frische Luft gibt es dafür.
Im Geschäft wird nicht gehandelt,
daran hat sich nichts verwandelt.
Damit keiner der Deiche bricht,
wacht ewiglich die Deichaufsicht.

Donnerstag, 28. Juni 2012

2002 - XIV

Seemannsgarn

Ich lief durch dunkle Räume, die Treppen hoch und runter. Fand dann endlich einen Ausgang.
Die Szene mag meiner Kindheit entflohen sein, als ich als Säugling oft genug die dunklen Treppen eines Altbaus hinuntergetragen wurde. Windeln mussten gekocht und zum Trocknen im Garten ausgehängt werden.
Ich betrat einen großen Saal mit Bühne.
Eine verhüllte Gestalt bewegte sich im Scheinwerferlicht, eine Kutte ragte spitz in die Luft und warf Schatten auf das Gesicht der überhöhten Statue. Schriftzeichen zierten den bunten und doch dunklen Umhang. Die Figur wandte sich mir zu und beobachtete mich. Sie schwebte, ich selbst konnte das auch. Ich fühlte mich bedroht, die Gestalt war so hoch und unheimlich. Panik stieg in mir hoch und gleichzeitig stieg meine Entschlossenheit. Ich schnappte mir eine zweizackige Gabel und näherte mich mit unheimlich starkem Willen und unter Aufbietung aller Kräfte sehr schnell an, ja ich flog eigentlich. Mein Vernichtungswille war groß und gab mir Kraft. Die Gestalt schien nicht überrascht, als erstes verlor ich meinen Zweizack. So benutzte ich meine Hände, um die irgendetwas zu greifen. Ich schaffte es trotz großer Gegenenergie, an den Hals der Person zu kommen. Ich blickte durch eine durchsichtige Gesichtsöffnung auf : Knochen! Durch den Umhang konnte ich sie schon spüren. Gleichzeitig mit der erneut aufkeimenden Angst kam die Erkenntnis. Ich kämpfte gegen mich selbst. Ich ließ sofort ab und fühlte mich erlöst Ruhe machte sich in mir breit und ich hatte einen Irrweg beendet.