Kinderbild
Im Zimmer steht ein Kinderbild von mir,
das gleiche wie in Euren Köpfen,
doch ich kehre nicht mehr zurück,
habe den Schlüssel weggeworfen,
weil mich Euer Bild bedrückt wie ein Gefängnis,
ein neues Verließ aus Gedanken umgibt mich
und ich weiß,
das Ihr mich nicht besuchen könnt,
meine Seele schreit nach Freiheit,
aber der Verstand kesselt mich ein,
formuliert die Ängste und bedrückt die Sinne,
schluckt das Gefühl weg wie ein Schalldämpfer.
Herrgott, ich glaube,
ich tausche immer nur eine Zelle mit einer anderen.
Gib' mir endlich ein Zuhause,
eine Zuflucht vor den Übervätern, -müttern meines Kopfes.
Hier ist das Aktuelle Mordstudio
Vier Rennfahrer im Seifenkistenrennen,
ein irrer Spaß. Sogar der Moderator lacht unkontrolliert,
setzt dann die Moderatorenmiene auf und fragt den Fahrer Winkelhock
nach seinen beiden kleinen Kindern.
"Die sind wohlauf" sagt Vater und
braust mit 300 Stundenkilometern vor eine Betonwand.
Aus.
Ein Sohn schreibt seinem Vater einen Brief,
erklärt sich, bittet um Verständnis.
Der Vater meint, er brächte das schon
wieder in Ordnung und antwortet nicht.
Fortgesetzt sagen Menschen Dinge, die nicht stimmen,
setzen freundliche Mienen auf,
zum durchaus ernst gemeinten bösen Spiel.
Laßt Euch nur herrichten in der Waffenkammer
der selbsterfahrenen Psychologen,
auf das der Mensch gewappnet sei.
Denn verwundbar ist er von Natur aus und
dies erweist sich in einer Leistungsgesellschaft, die Anpassungsleistung fordert, als seine eigentliche Schwäche.
Die menschliche Aufrüstung und deren Resultate lassen einen starken Brechreiz zurück.
Allein der Ekel verhindert den Auswurf, wie heißt es doch ?
Vornehm geht die Welt zugrunde.
Insgesamt stimmt das.
I am death
Tödliche Pfeile treffen meine Seele,
immer wenn die Wunden verheilen, kommen neue hinzu,
mein Blut ergötzt euch,
ihr wollt es sehen,
die Seele ist euch zuwider
und selbst, wenn sie stirbt,
ist es euch nicht recht,
der Körper soll auch beseitigt werden,
denn er drückt das Leiden der Seele aus.
Schafft die Leiche weg,
Zombies,
noch nicht einmal das Ende hat bei euch Würde.
Je suis mort
Kalender
Versuch, die geometrischen Figuren zu ordnen,
die willkürlich in unseren Gedanken als Facetten erscheinen,
durch die die Welt sich bricht, die, hier,
in naiver Weise klar erscheint,
was nichts an der Geborgenheit des Traums ändert,
der die Vergänglichkeit symbolisiert und schützt,
die uns zu erdrücken scheint.
Betrachtet im Spiegel
oder durch die Linse des Photoapparates
manifestieren statische Momente
das Bedürfnis nach Zufriedenheit und geben uns Zeit,
zu erkennen
und danach einzutauchen in die Veränderung der Welt,
die wir auch im nächsten Jahr nicht schaffen werden.
König Alkohol
"König Alkohol", dieser Buchtitel von Jack London hat mehr als symbolische Bedeutung, denn die Weise, in der König Alkohol seine Macht erlangt, ist eine magische.
Übt er bei vielen Menschen nur eine vorübergehende, zeitlich begrenzte, Regentschaft aus, so ist der Herrscher Gast im Hause derer, die ihn rufen.
Doch dieser Gast entfaltet bald eine merkwürdige Anziehung.
Er tröstet den Einsamen, hält dem Fragenden seinen Zerrspiegel vor und verspricht dem Vielgeplagten Ablenkung.
Er spielt eine Karte nach der anderen aus, immer noch einen Trumpf in der Hinterhand haltend, um sein Bleiben zu entschuldigen.
Er bleibt dabei stets im Hintergrund und unauffällig, um seinem Opfer den Spielraum zu jeder Selbstverwirklichung zu geben.
Es gibt nur die eine, kleine, Bedingung, nämlich die, daß er Gast bleibt.
Doch in Wirklichkeit könnte sich der Rufende gar nicht mehr von seinem Gast trennen.
Selbst wenn er König Alkohol zum Gehen aufforderte, so würde dies nichts ändern.
Der Ruf nach Ihm ist unwiderruflich.
Er lockt mit seiner klaren, ausdrucksvollen, Sprache, der kalten Wärme und der unbestechlichen Logik des Gefühls.
Er bietet seine Gesellschaft als starker und mächtiger Freund an und gibt Vergessen und scheinbare Ausgeglichenheit zurück.
Ist dieses Angebot erst einmal akzeptiert, so erbietet sich der glitzernde Herr, aufgrund der nun eingegangenen Partnerschaft, alle Probleme zu bereinigen.
Das arme Opfer redet dem König das Wort und glaubt, sein wahres Ich entdeckt zu haben.
König Alkohol weidet sich an dem Irrglaube seiner Opfer in der Sicherheit, sie gewähren lassen zu können.
Den geringsten Zweifel zerstreut er mit dem Aufblitzen seines philosophischen Geistes und treibt mit der Gewißheit seines Daseins sein Opfer von Rausch zu Rauch, von Selbsttäuschung in angenehmen Wahn.
Schließlich wird Er, der Magier, sein Opfer der Bestimmung seines Herrn übergeben.
Das Opfer wird es so wollen.
Wehe um den, der soweit gekommen ist !
Der graue Geselle wartet überall, man kann Ihm nur in Freiheit begegnen.
Schlag-Zeilen
Schlagzeilen tropfen in die Köpfe der Menschen,
gebrauchte Wörter nehmen sie in den Mund,
glauben ihre nicht eigene Meinung,
erklären Unverstandenes weiter,
wälzen sich im eigenen Dung
und kommen doch immer auf den Hund.