Donnerstag, 11. September 2014

11.9.

Für immer wohl ein Tag zur Erinnerung an 9/11, für mich persönlich bedeutete es das Wiedersehen mit meiner Frau, nachdem ich zum ersten Mal überwiegend an der Liivalaia-Straße entlang zum Krankenhaus zu Fuß gegangen war. Sie hatte ihr Handy in Deutschland gelassen, Telefon auf dem Zimmer gab es aber nicht.
So hatte ich erst beim Betreten der Intensivstation der orthopädischen Abteilung die Gewissheit, dass sie die Operation überstanden hatte.
Während sich in mir innerlich so etwas wie Optimismus breit machte, weil wohl alles gut verlaufen war, war sie in Ihren Alltagssorgen gefangen. Sie musste nun schon ab und zu aufstehen und soll auch bald schon im Gehwagen erste Schritte wagen.
Schon am Vormittag wird sie in ein Einzelzimmer verlegt. Erst sind wir erleichtert. Leider liegt das Zimmer aber zur Nordseite und zum Innenhof hin und außerdem ganz am Ende des Gangs.
Hier wird sie keiner sehen, der sie nicht sehen will. Fernsehen hat sie auf Ihrem Zimmer auch nicht.
Ich bleibe also immer möglichst lange. Besuchszeit ist in der Woche eigentlich nur von 15.00-19.00 Uhr,
aber niemand nimmt daran Anstoß, wenn ich morgens früher komme und abends später gehe.
Alltagssorgen anderer Art befallen mich hier, ich suche einen Geldautomat und finde nur einen einzigen.
Für Wasser muss ich selbst sorgen, vom Krankenhaus kommt außer den Mahlzeiten nichts.
Eine Stunde gibt mir meine Frau für das Mittagessen. Es reicht dazu im Solaris Keskus-Einkaufscenter.
Hier macht alles einen unverfänglich internationalen Eindruck, was mich sehr beruhigt.
Immerhin sagt jetzt das Krankenhaus, dass wir nach hause dürfen, wir können aber nicht.
Nicht bevor der ADAC eine Möglichkeit zum Rückflug nach Deutschland mit der Lufthansa gefunden hat.
Die Organisation des Rückflugs beginne jetzt, so hat man es mir am Telefon versprochen.
Der Abschied am Abend ist schwer, nicht nur für meine Frau. Auch ich weiß abends nicht, was ich mit mir anfangen soll. Zwar bestünde die Möglichkeit, mich mal mit Sirli zum Abendessen zu treffen, aber ich bin zu müde, mein Gefühl wäre aber ungut, es ist mir zu blöd und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich das ohnehin mit Geld kompensieren müsste.
Mir bleibt die Gewissheit eines Spaziergangs, um den mich meine Frau beneiden würde. Kurz vor dem Hotel geht es durch den Politsei-Park, wo ich das alltägliche Leben der Familien beobachten kann, umtöst vom Lärm der großen Straßen. Die Bar mit dem "spicy"-Hamburger, einem Bier und einem Lächeln der Kellnerin.
Mein Fernseher, mein schwarz-rotes Kabinett im 7. Stock. Der Blick in den Sonnenuntergang gen Westen auf die Skyline des modernen Tallinn. Gegenüber steht ein Hochhaus, was lautstark entkernt wird. Deswegen wahrscheinlich die "Special Rate". Ich sehe hinüber und fühle mich genauso, wie ein Gerippe ohne Fleisch.
Morgen habe ich Geburtstag.  






Mittwoch, 10. September 2014

10.9. - Mein estnischer Traum

In Tallinn hielten wir uns unfreiwillig vom 9.9.-14.9.2013 auf. Die Erinnerung verändert doch manche Eindrücke und macht vieles ungenau, manches allerdings weiß man erst später besser einzuschätzen.
Dort schrieb ich:

" Der estnische Traum "

Auf dem Hinflug nach Tallinn, eine Woche ist das her, sitzt wieder mal einer von den Menschen, die meinen, dass sie größer werden, wenn sie ihre Arme seitlich weiter ausbreiten. Nun, beim Rückflug werde ich nicht das Vergnügen seiner Gesellschaft haben.

Unsere Gruppenreise zum Tallinn Express Hotel ist schon zu Ende. nur nicht für uns. Dabei war die Zeit sehr schön, kein Tröpfchen Regen. Ein Trip in die Altstadt von Tallinn am ersten Tag. Führung durch eine Reiseleiterin von "Estonian Travel". Am nächsten Tag steht ein Ausflug in die östlich von Tallinn gelegenen Landesteile an. Die Fahrt Richtung Narva führt uns zu einem Urwald, von dem aus wir eine Hochmoorwanderung machen. auf einem mehr oder weniger schmalen Steg geht es darüber. Manch Einem fehlt die Ausdauer und vielleicht auch die Trittsicherheit. Unsere Reiseleiterin weist unermüdlich auf die Vegeation hin, besonders die Mossbeeren oder estnisch "Moltabeeren" haben es ihr angetan. Dann führt die Tour zu einer sehr schönen Selbstbedienungsrast mit typisch estnischen Speisen. Danach sind wir alle gestärkt für den Laheema-Nationalpark. Hier wird die Geschichte der Deutschbalten anhand des Gutshauses Palmse lebendig.
Später muss unbedingt noch eine Ordensburg in Rakvere besucht werden. Man hätte es sich sparen können. Aber Ritterspiele sind auch in Tallinn's Altstadt sehr beliebt. Da gibt ein altes Hanselokal ebenso wie die typisch estnische Küche verkostende "Esthni Koek".
Was aber sagt das alles über die Esten aus? Garnichts.
Ich jedenfalls werde jetzt in Tallinn 58 Jahre alt. Und es macht mir noch nicht einmal etwas aus. Meine Frau liegt jetzt im Ida-Tallinna Keskhaigla-Krankenhaus, nachdem sie sich am letzten Tag der Reise morgens beim Frühstück im Hotel durch einen Sturz die Hüfte gebrochen hat.
So sehr wir auch, nachdem das feststeht, um einen Krankentransport zum Flughafen betteln, um den gebuchten Rückflug doch noch zu erreichen, eine Ärztin stellt fest: so geht das hier nicht.
Da nutzt meine Aufgeregtheit nichts, sie sagt nur, ich solle herunter kommen. Dann werden wir in einen Raum abgeschoben, wo meine Frau auf einer harten Unterlage liegt, ohne das es jemanden zu kümmern scheint. Wir wollen diese OP nicht, doch nicht in Estland. Aber hier ist die Notaufnahme. Alltag, wartende Menschen, verschlossene Türen zum Arztbereich und zum Aufnahmebereich, wo meine Frau liegt. Laufe ich hinaus, komme ich vielleicht noch mit dem Personal wieder hinein.
Der ADAC, mit dem ich Kontakt aufnehme, rät durch einen Arzt zur OP, der Standard sei so gut wie in Deutschland.
Ich soll Medikamente in einer Apotheke holen, sagt mir ein Arzt. Ein Anti-Thrombose-Medikament. Später stellt sich heraus, es ist Aspirin, was mir verkauft wurde. Das war falsch, sie hatte aber bereits eine Tablette genommen. Nicht gut, wenn eine OP bevor steht. Sie bekommt Angst. Ich werde noch einmal geschickt. Kaufe schließlich für über 30 € das aufgeschriebene Medikament, sie wird es nie brauchen.
Meiner Frau wird Blut abgenommen, der Einstich blutet, es läuft auf ihre neue Handtasche, die sie immer noch um den Hals hat. Ich nehme ihr die Tasche ab.
Besorge Wasser. Die Dame von der Registratur bietet uns einen Transport nach Deutschland an, 2300 € soll er kosten, 25 Stunden mit dem PKW. Ich winke ab, telefoniere mit der Reiseleiterin, veranlasse, dass unser Gepäck erst gepackt und schließlich zu uns gebracht wird. Sie erzählt mir was, von einer "Sit-to-Fly"-Bescheinigung, die ich vom Krankenhaus einfordern soll. Verstehe nur Bahnhof und fordere trotzdem, es interessiert Keinen. Die Menge in der Notaufnahme wird nicht kleiner, sie schaut mich, den hin- und herlaufenden Mann merkwürdig an. Meine Frau muss ihre Geschäfte auf dem Topf verrichten, ich helfe, sie hat Schmerzen.
Irgendwann gebe ich auf, warte nur noch, bis die Reiseleiterin endlich mit dem Gepäck vom Flughafen zurück kommt. Sie will mir ihre Taxiquittung geben, lässt es aber sein, nachdem ich das Essen für sie mit bezahle, was wir draußen vor dem Krankenhaus an einer Döner- und Hamburgerbude kaufen. Obwohl wir wirklich Hunger haben, es schmeckt  uns nicht wirklich. Dann geht aber alles recht schnell, wir verlassen endlich den Aufnahmebereich und sie bekommt nach ihren Rückenschmerzen endlich ein Krankenbett.
Wir landen in einer Privatstation, ein Zimmer mit drei Betten, abgeteilt durch Vorhänge, rötliches Licht, gemütlich. Es gibt sogar Gebäck und Tee, ich darf die Nacht bei ihr bleiben und kann das Heulen nicht unterdrücken, mehrmals.
Die Reiseleiterin ist unser letzter Halt, erzählt uns von ihren eigenen schweren überstandenen Krankheiten. Leider will sie uns zu besseren Menschen machen, das stört uns ein bisschen. Als sie schließlich Feierabend macht, holt uns der Alltag ein.
Ich assistiere meiner Frau bei Ihren Wünschen, hauptsächlich nach besserer Lagerung, in der Nacht. In Unterhosen schrecke ich ungefähr jede Stunde auf. Manchmal muss die Schwester kommen. Eine bärtige junge Schwester lächelt mir zu.
Draußen sind auch nachts die abfliegenden Flugzeuge vom Flughafen Tallinn zu hören. Ich schließe das Fenster.
Am nächsten Morgen stellt es sich nach der Chefarztvisite (endlich ein netter in sogar deutsch sprechender Arzt) heraus, dass die Intensivstation angesagt ist.
Ihr Bett wieder hinter einem Vorhang, ich mit Gepäck davor. Helles Zimmer mit Sonne und den ganzen Tag Warten auf die OP.
Hier geht nun nichts mehr mit Pampers, Katheder ist angesagt, Blutdruck wird regelmäßig gemessen und wieder eine Salzlösung intravenös gegeben. Kein Essen mehr, kein Trinken. Als sie endlich abends um halb sechs zum OP-Saal geschoben wird, nehme ich ein "cheap Taxi", so wie es mir von der Reiseleiterin empfohlen wurde und zähle 7 € für die relativ kurze Fahrt zum Hotel.
Bezeichnenderweise nennt sich die Firma "Amigo". 4 € wären vielleicht angemessen gewesen. Angesichts des kahl geschorenen Fahrers vermeide ich Kommentare und Verhandlungen, tue noch so, als würde ich jetzt regelmäßig für diese Strecke ein Taxi brauchen und habe längst beschlossen, keines mehr zu nutzen.
Auch für das Hotel "Reval Park Casino" zahle ich angeblich eine "special rate", die mir unsere Reiseleiterin gebucht hat. Es ist wesentlich besser als das für unsere Rundreise gebuchte Hotel. Aber was habe ich davon: Blick über die Skyline von Tallinn, gegenüber ein Hochhaus, das gerade entkernt wird.
Nach einem abendlichen Imbiss in der Hotelbar rufe ich im Krankenhaus an, will wissen, ob die Operation gelungen ist, aber mich versteht niemand. Meine Frau ist anscheinend nicht existent. Bin zu müde, um mich aufzuregen und lege auf. Morgen werde ich ja weiter sehen.

Dienstag, 9. September 2014

9.9.

Vor einem Jahr saß ein nervöser Mann in der Notaufnahme des Ida-Tallinna Keskhaigla-Krankenhauses  von Tallinn. Die Einheimischen konnten das Schauspiel eines zwischen Arztzimmer, Anmeldung und Behandlungsraum pendelnden Mannes verfolgen, der glaubte, er könne mit seiner Frau die Heimreise antreten, obwohl sich diese frisch den Oberschenkel gebrochen hatte. Passiert war alles beim Frühstück, als sich diese noch eine Tasse Kaffee holen wollte und dabei mit dem rechten Bein an einem der Krakenfüße seines Stuhls hängen geblieben war. Aus dem Sturz auf das linke Bein resultierte nun der Besuch der Notaufnahme.
Behindert wurde ich bei meinem Verkehr auch dadurch, dass der Weg zum Behandlungsraum, in dem meine Frau zur Verwahrung lag, bis man ein Zimmer für sie gefunden hatte, normalerweise nur dem Krankenhauspersonal vorbehalten war. So hing es vom Goodwill der einzelnen Personen ab, ob ich Zutritt erlangte oder nicht.
Den Ärzten war relativ schnell klar, dass meine Frau in ihrem Krankenhaus operiert werden müsste. Nur sagte man es mir nicht so schnell. Im Gegenteil, mehrfach bekam ich gesagt, es würde ein Transport zum Flughafen organisiert werden, um den für diesen Tag geplanten Heimflug noch zu erreichen.
Ein Krankenpfleger veranlasste mich, ein Medikament zur Blutverdünnung bei der nächst gelegenen Apotheke zu erwerben. Man wisse dort schon, welches Medikament das richtige sei. Als Ergebnis brachte ich Aspirin zurück. Nicht gerade das Richtige für jemandem, dem eine OP bevor steht.
Unsere Krankenkasse in Deutschland meinte, sie sei nicht zuständig, man wusste wohl nicht, dass Estland zur EU gehört. Das Krankenhaus verlangte aber nur die Krankenversicherungskarte, sonst nichts. Da wir eine Pauschalreise gebucht hatten, konnte ich mich immerhin an unsere Reiseleiterin wenden. Die befand sich bereits auf dem Flughafen und rief mehrfach zurück. Sie sagte, ich bräuchte eine Unbedenklichkeitsbescheinigung seitens des Krankenhauses resp. eine Bestätigung, dass meine Frau sitzend transportiert werden könne.
Meine Frau wusste mittlerweile nicht mehr, wie sie liegen sollte. Mittlerweile hatte sie eine Infusion bekommen und blutete aus dem Arm auf ihre neue Handtasche, die sie immer noch bei sich trug.
Die freundliche Dame in der Anmeldung meinte, sie könne einen mehrtägigen PKW-Transport von Estland nach Deutschland organisieren, den wir, selbstverständlich zu einem günstigen Preis, selbst zahlen müssten.
Außer der Krankenkasse hatte ich  nun den ADAC in München verständigt. Der dortige Arzt telefonierte dann mit dem Arzt vor Ort und riet mir eindeutig, den Oberschenkelhalsbruch so schnell wie möglich in Tallinn machen zu lassen. Es gelte keine Zeit zu verlieren, um das vorhandene Gewebe zu retten. Der Standard sei in Estland sehr gut.
Auch das Krankenhaus machte mir mittlerweile klar, dass es mir gar nichts nütze, wenn ich meine Frau zum Flughafen schaffen würde, denn die Lufthansa würde uns nicht mit nehmen. "So läuft das hier nicht." sagte mir eine Ärztin. Wir müssen hier blieben, nörgelte es in mir. Die Anspannung fiel ab und wich einem tiefen Gefühl der Machtlosigkeit, dass dem geglichen haben muss, was mein Vater empfand, als er immer und immer wieder an seinen völlig sinnlosen Plänen gehindert wurde, in seine Wohnung zurück zu kehren.
Auch meine Frau war komplett verzweifelt. Auf der einen Seite war ich für ihre Versorgung zuständig, auf der anderen Seite wollte sie mich nicht gehen lassen. Es blieb mir nichts übrig, als unsere Reiseleiterin zu bitten, dass von meiner mitgereisten Schwägerin zusammen Gepackte, zu uns zurück ins Krankenhaus zu bringen.
Sehr zu unserer Erleichterung erschien Sirli, so ihr Name, dann abends mit unserem Gepäck. Endlich war jemand da, der in der Landessprache mit dem Personal verhandeln konnte.
Wir gingen dann gemeinsam, um etwas zu essen zu besorgen. Ich würde es einen russischen Hamburger nennen, was wir da nach einem Tag ohne Verpflegung, verzehrten.
Es dauerte noch etwas, bis für meine Frau ein Platz in einer Privatstation gefunden war. Sirli begleitete uns, die Dame von der Anmeldung hatte mir noch ein paar von ihren Süßigkeiten zugesteckt, dazu noch ein paar Teebeutel. Sirli wurde nicht müde zu betonen, für wie wenig Geld das Personal hier einen guten Job macht. Und "wir haben hier die besten Ärzte!".
Auf der Station selbst wurde alles getan, um uns den Abend einigermaßen angenehm zu gestalten. Es gab noch Tee und Gebäck. Wir verabschiedeten uns von Sirli mit der Absicht in Kontakt. Ich konnte mir einige Tränen nicht verkneifen. Sie meinte, ich könne dies ruhig mal offen zeigen und richtig weinen. Sie sprach meiner Frau noch einiges an Mut zu, was temporär dann auch Wirkung zeigte.
Ich durfte nun mit ihr zusammen im Zimmer verbleiben und würde die Nacht auch hier verbringen.
Durch einen Vorhang von ihrem Bett getrennt und durch das offene Fenster von den Geräuschen der Nacht, die gelegentlich durch Fluggeräusche an- und abfliegender Maschinen verstärkt wurden, begleitet, begann ich meinen Halbschlaf.



Dienstag, 2. September 2014

Erfahren

Das Fahren, egal ob mit Auto oder Fahrrad, macht in diesem, unserem, Land wenig Freude. Der Werbeslogan von BMW "Freude am Fahren"  kommt mir da wie eine ironische Aufforderung vor.
In einer Reportage über das Autofahren, auch und insbesondere auf unserer heiß geliebten Autobahn, kam einmal einer dieser Helden zu Wort, der sich selbst wohl für einen der allergrößten Fahrzeuglenker hielt, den der liebe Gott gestattet hat, das Licht dieser motorisierten Welt zu erblicken. Es gebe, so sagte er, zu wenig inspirierte Autofahrer. Das könnte wohl auch engagiert, ambitioniert oder motiviert meinen. So wie dieses unzertrennliche Pärchen einer Luxuslimousine mit einem Motorrad nebst Fahrer desselben, das neulich mit gefühltem Tempo 220 auf der linken Spur der Autobahn an mir vorbei brauste. Ein Sinnbild nicht nur für die Götter, von denen sie verlassen waren, sondern auch für die täglichen Verfolgungsjagden und Duelle, wie sie sich auf unseren Straßen abspielen.
Da gerät so Einer wie ich, der fährt, weil er ankommen will, leicht zwischen die Fronten. Ein sonntäglicher Rat lautete denn auch, ich solle meinen Führerschein abgeben. Ich mag nun einmal nicht durch engste Lücken fahren, wenn ich nichts sehe. Das passte einem lippischen Landbaron so wenig, dass er schnell zum "Du" überging, denn genau das wollte er. Eine neue Freundschaft hat sich da aber nicht entwickelt.
Anderentags läuft mir ein junges Mädchen vor die Kühlerhaube, ich sehe es zum Glück rechtzeitig, sie macht mir den Scheibenwischer vor.
Wer glaubt, auf dem Fahrrad sei es anders, der täuscht sich. "Nicht so ängstlich!" heißt es da, wenn enge Lücken an überbreiten Erntefahrzeugen auf schmalen Feldwegen nicht im Sattel genommen werden. Da ärgert sich wieder Einer, dass er mal vom Rad herunter muss.
Vermutlich wird mich das Schicksal direkt vor der Haustür meines Arbeitgebers in Gestalt eines den Fußgängerweg benutzenden Radfahrers überfahren.Hoffentlich werden sie oder er Inspirationen gehabt haben.
Ich träume derweil von ausdruckslos glotzenden Jungmädels, die mit ihren Kleinwagen an meinem Kofferraum kleben, während ich zum Bahnhof fahre.

Mittwoch, 27. August 2014

Blueprints

Mit dem Schreiben per Hand tue ich mich schwer. Unvermittelt bringe ich in einzelnen Worten Abstände rein. Schon immer habe ich einzelne Buchstaben in Druckschrift geschrieben, doch geschah dies meist am Anfang eines Wortes und koordiniert. Nun schreibe ich einzelne Buchstaben mal in Schreibschrift und mal wieder in Druckbuchstaben. Manche Buchstaben verschlucke ich, so das m. Es ist ein Mangel an Konzentration, Koordination und das Bestreben, schnell fertig zu werden. Und dann fehlt die Übung. Aber auch mit hätte ich das Gefühl, es nicht mehr wie früher hinzukriegen.
Schon die Unterschrift mit meinem Namen bereitet mir Probleme, von sechs Buchstaben bekomme ich nur noch vier hin. Zum Glück gibt es außer einem Testament kaum etwas, was man komplett handschriftlich abfassen muss. Persönliche Briefe fallen wenige an (außer an meinen Bruder, den mein Gekrakel aber weniger interessiert).
Aber auch beim Schreiben auf der gebräuchlichen Tastatur schleicht sich meine zunehmende Flüchtigkeit ein.
Da fehlen schon mal ganze Worte oder ich komponiere bisher nicht gekannte Reihenfolgen der Buchstaben. Leider kann ich nicht objektiv beurteilen, ob meine Bemühungen um Kontrolle Erfolg haben. Feedback gibt es auch auf im Internet veröffentlichte Texte sehr wenig. Man solle, so klärte mich eine Dame, Mitglied im gleichen Verein wie ich, nach dem Schreiben und vor der Veröffentlichung immer alles Korrektur lesen lassen und meinte damit offensichtlich, Ihre Berufung unterstützen.
Handschriftliche Texte sind allerdings keine Blueprints, sondern Originale, die unwiderruflich entstehen und im Falle von Fehlern neu geschrieben werden müssen. Das und das Fehlen von "Copy & Paste" machen mir, bewusst oder nicht, Angst.

Montag, 25. August 2014

Salú

Gerade hat sich ein langjähriger geschäftlicher Kontakt von mir verabschiedet. Mein eigener Abschied wird mir dadurch auch immer bewusster. Im Laufe des Gesprächs kamen dann so angenehme Themen wie Alter, Krankheit und Rente in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Bei manchen Männern kollabiert in einem gewissen Alter die Lunge und sie finden sich auf der Intensivstation wieder, ohne das die Mediziner wissen, warum so etwas passiert. Es ist schon beeindruckend, auf wie viele Arten man dem Jenseits näher kommen kann und manchmal ein kleines Wunder, wenn es Einem selbst nicht geschieht.
Doch auch die Vergangenheit, der mich z.Z. widme, ist nicht so erfreulich. Es gibt viele Tagebücher des ersten Weltkriegs, die man nun lesen kann. Schon nach wenigen Wochen des Krieges offenbaren einem die Schreiber die Wirklichkeiten eines solchen Gemetzels, das so gar nicht zum patriotischen Vorspiel passt. Dennoch gibt es auch im Untergang unterschiedliche Betrachtungsweisen abhängig vom Rang der Soldaten. Während die Offiziere relativ frei hinter der Front herum fuhren, bleibt dem einfachen Soldaten nur die bedrückende Perspektive des Schützengrabens.
Harry Graf Kessler hat mich als Tagebuchschreiber bisher am meisten beeindruckt.

Freitag, 22. August 2014

Kabarett oder die "Weisheit der Moni"

Kommissar Bröhmann hat mich heute in Beschlag belegt. Dietrich Faber hat sich da eine tolle Figur ausgedacht und ihm einen sehr eigenen Ausdrucksstil verpasst, den ich sehr gut nachvollziehen kann.
Ich dachte mir spontan beim Lesen der ersten Zeilen, dass ich auf die Art und Weise mein Leben gut kurz und knapp beschreiben könnte. Das wäre ein machbares Projekt und wer weiß, vielleicht realisiere ich das bald.
Für nicht machbar halte ich es ohnehin, alles zu schaffen, was man sich vorgenommen hat. Das wäre ein erschreckende Vorstellung, nichts mehr vor sich zu haben. Ich will ja noch nach vorn gucken, auch wenn Dieter Hildebrandt mal bemerkte, vorn habe er noch nie was gesehen.
Völlig irrsinnig ist jedenfalls die Angst, etwas zu verpassen. Mit jedem Erlebnis verpasst man ja zwangsläufig irgend etwas anderes.
Dieses Leistungsdenken hat heute aber auch viele junge Leute erfasst, dabei ist es doch wichtiger was der Mensch ist und nicht was er glaubt, geschaffen zu haben.
Einstweilen halte ich mich an die letztens in der Leipziger Pfeffermühle gehörte und von Frank Sieckel so überzeugend geäußerte "Weisheit der Moni":

"Wenn de zwee Lotschen host
un eener is fort,
dann nutzen der alle beede nischt."